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Vollsteckung deutscher familienrechter Gerichtsentscheidungen in Portugal
Leseranfrage:
Ich habe meine Ehe vor einem deutschen Familiengericht scheiden lassen. Mit dem Scheidungsurteil ist als Scheidungsfolgesache auch eine Entscheidung über den Zugewinnausgleich ergangen, mit welcher mir ein Geldbetrag in Höhe von € 200.000,- gegen meinen Ehemann zugesprochen worden ist. Da mein Ehemann nicht freiwillig zahlt, sehe ich mich nun gezwungen, die Zwangsvollstreckung in sein Villengrundstück an der Algarve zu betreiben, welches in seinem Alleineigentum steht. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Gerichtsentscheidungen, die in einem EU-Mitgliedstaat ergangen sind ohne Weiteres in jedem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden können. Nun musste ich jedoch erfahren, dass ich zur Anerkennung der deutschen Gerichtsentscheidung zur Vollstreckung in Portugal zunächst ein Verfahren am Berufungsgericht in Evora betreiben muss, in dessen Rahmen mein geschiedener Ehemann angehört wird. Dies möchte ich unter allen Umständen vermeiden, da ich damit rechnen muss, dass mein geschiedener Ehemann die Immobilie veräussert, sobald er erfährt, dass ich die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück betreibe. Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich?Antwort:
In den vergangenen Jahren sind in der EU verschiedene Verordnungen ergangen, welche die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln, die in einem Mitgliedstaat der EU ergangen sind und in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden sollen.Die in der Praxis bedeutendste ist die Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ( sog. Brüssel I-VO). Diese Verordnung gilt in familienrechtlicher Hinsicht für Unterhaltssachen, also für ausländische Vollstreckungstitel wegen Kindes- oder Ehegattenunterhalt.
Eine weitere wichtige EU-Verordnung auf dem Gebiet des Familienrechts ist die Verordnung Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (sog. Brüssel IIa-VO).
Soweit der Anwendungsbereich dieser EU-Verordnungen reicht, gelten sie vorrangig vor dem jeweiligen nationalen Recht und ersetzen dieses. Diese beiden Verordnungen erleichtern und vereinfachen die Anerkennung und Vollstreckung von in EU-Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen erheblich und sehen kein förmliches Anerkennungsverfahren mehr vor, jedoch gelten sie nicht für Güterrechtsverfahren, also Entscheidungen über den Zugewinnausgleich wie im vorliegenden Fall. Für Güterrechtsverfahren gibt es (noch) keine EU-Verordnung mit der Folge, dass insoweit das jeweilige nationale Recht zur Anwendung kommt, in Portugal die Artikel 1094 bis 1102 des Código de Processo Civil, der portugiesischen Zivilprozessordnung. Für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung ist danach das Berufungsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person ihren Wohnsitz hat, gegen die die Entscheidung geltend gemacht werden soll oder wo die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, für die Algarve das Berufungsgericht in Evora. Die Anerkennungsvoraussetzungen sind in den oben genannten gesetzlichen Bestimmungen im Einzelnen geregelt. An diesem förmlichen Anerkennungsverfahren nach portugiesischem Recht wird die Gegenseite auch beteiligt.
Droht die Vereitelung der beabsichtigten Zwangsvollstreckung, so gibt es die vorab Möglichkeit eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zur Sicherung der zukünftigen Zwangsvollstreckung, für welches das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, zuständig ist. Da der Vollstreckungsgegner an diesem Verfahren nicht beteiligt werden muss, er von der gegen ihn beabsichtigten Zwangsvollstreckung somit nichts erfährt, ist die drohende Gefahr der Vereitelung der zukünftigen Zwangsvollstreckung im Einzelnen konkret darzulegen und nachzuweisen. Hieran werden wegen der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Vollsstreckungsgegners in der Regel hohe Anforderungen durch die Gerichte gestellt. Entspricht das Amtsgericht dem Antrag auf Sicherung der Zwangsvollstreckung in eine Immobilie, so erfolgt ein Eintrag ins Grundbuch, welcher eine Veräusserung verhindert.
Eingestellt am 19.11.2010
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