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Änderungen des deutschen Erbrechts ab 1. Januar 2010

Leseranfrage:

Vor einiger Zeit habe ich zum zweiten Mal geheiratet und mein einziges Kind, meine Tochter aus erster Ehe, war strikt gegen diese Eheschließung, möglicherweise auch, weil meine neue Ehefrau erheblich jünger ist als ich.

Nach unserer Heirat habe ich in Deutschland ein notarielles Testament gemacht, mit welchem ich meine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt habe, sodass meine Tochter auf den Pflichtteil verwiesen ist. Nach Angaben des Notars beträgt der Pflichtteil meiner Tochter ein Viertel des Nachlasses.

Ich besitze in Portugal ein großes Anwesen, welches ich mit meiner Ehefrau bewohne und welches ich ihr zu schenken beabsichtige, um den Pflichtteil meiner Tochter im Erbfalle möglichst gering zu halten. Der Notar hat mir bei der Testamentsbeurkundung mitgeteilt, dass nach dem neuen Erbrecht künftig eine den Pflichtteil mindernde Schenkung bei der Berechnung der Höhe des Pflichtteils innerhalb von zehn Jahren seit der Schenkung mit jedem Jahr um ein Zehntel weniger berücksichtigt werde.

Des Weiteren habe ich meiner Tochter nach dem Tode meiner ersten Ehefrau bereits einen Teil meines Vermögens übertragen. Ich gehe davon aus, dass diese Vermögenswerte auf den Pflichtteil angerechnet werden.

Antwort:

Bereits am 16.03.2007 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechtes“. In der ESA 08/2008 - „Änderungen im deutschen Erbrecht“ - ging ich auf den am 30.01.2008 veröffentlichten Regierungsentwurf dieses Reformgesetzes ein. Am 02.07.2009 hat der Bundestag das Reformgesetz, welches nun am 01.01.2010 in Kraft trat, schließlich verabschiedet. Interessant an dem verabschiedeten Gesetz ist nicht nur das, was neu geregelt wird, sondern vor allem das, was in den Entwürfen zwar vorgesehen war, jedoch nicht in die Reform aufgenommen wurde.

Die wohl wichtigste Änderung betrifft den „Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen“. Die Neuregelung in § 2325 Absatz 3 BGB lautet: „Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.“ Diese „Abschmelzungsregelung“ löst die bisherige „Alles-oder-Nichts-Regelung“ ab, wonach die Schenkung innerhalb der gesamten zehn Jahre vor dem Erbfall in vollem Umfang berücksichtigt wurde. Die Änderung gilt für alle Erbfälle, die nach dem 01.01.2010 eintreten, erfasst also auch die früheren Schenkungen, wenn nur der Erbfall nach Inkrafttreten des Reformgesetzes eintritt.

Trotz diverser Änderungsvorschläge der Experten wurde die Sonderregelung für Ehegatten nicht aus dem Gesetz gestrichen. Es bleibt gemäß § 2325 Absatz 3 Satz 3 BGB dabei: „Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.“ Das bedeutet, dass durch Schenkungen zwischen Ehegatten eine Verminderung des Pflichtteils nach wie vor nicht erreicht werden kann.

Gemäß § 2315 Absatz 1 BGB nach bisherigem und leider auch künftigem Recht hat sich der Pflichtteilsberechtigte nur dasjenige auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewandt wurde, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden solle. Der Erblasser muss diese Anrechnungsbestimmung vor oder spätestens mit der Schenkung getroffen haben. Vorgesehen - aber nicht in das Reformgesetz aufgenommen - war, dass der Erblasser nachträglich und einseitig eine Anrechnung durch Verfügung von Todes wegen nachschieben konnte. Es bleibt also bei dem ungeschmälerten Pflichtteilsanspruch Ihrer Tochter, wenn die Anrechnungsbestimmung nicht vor oder spätestens mit der seinerzeitigen Vermögensübertragung erfolgt ist.


Eingestellt am 19.11.2010
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