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Wem gehört der Weg?

Leseranfrage:

Meine Eltern haben mir im Rahmen einer vorweggenommenen Erbschaft vor einigen Jahren ihr Anwesen an der Algarve durch Schenkung vermacht, nachdem sie aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland zurückgekehrt sind.

Zu meinem Grundstück gelangt man über eine breite, ca. 50 m lange Einfahrt, die entlang der Grenze des Nachbargrundstücks führt. Meine Eltern haben diese Einfahrt, die von Anfang an vom Nachbargrundstück durch eine Hecke abgerenzt war, nach dem Kauf befestigt. Unsere Familie ist immer davon ausgegangen, dass die Einfahrt Teil unseres Grundstücks sei. Nun behaupten die Nachbarn, an deren Grundstücksgrenze entlang die Einfahrt führt, die Einfahrt gehöre zu ihrem Grundstück und uns würde nur ein Wegerecht zustehen. Wie sich die Sachlage nun darstellt, steht Aussage gegen Aussage. Was können wir tun?


Antwort:

Zunächst sind die Kauf- und Grundstücksunterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sich aus diesen ergibt, wo genau die Grundstücksgrenzen verlaufen und ob die Zufahrt Teil des von Ihren Eltern seinerzeit erworbenen Grundstücks ist. Sowohl im Grundbuch als auch in der Caderneta, das ist das beim Finanzamt geführte Grundstücksdokument, werden die Angrenzungen eines Grundstücks in allen vier Himmelsrichtungen durch Bezeichnung der Nachbargrundstücke oder gegebenenfalls der angrenzenden öffentlichen Strassen oder Wege festgestellt. Weiterhin sind aus dem bei der Gemeindeverwaltung geführten Lageplan des Grundstücks (planta de localização) die Grundstücksgrenzen ersichtlich. Diese Lagepläne sind herkömmlicherweise gezeichnet, heute jedoch in vielen Landkreisen als Luftaufnahmen erhältlich.

Weiterhin ist vor Ort zu prüfen, an welchen Stellen die amtlichen Grenzsteine des Grundstücks gesetzt sind. Führen alle diese Ermittlungen zu keinem Ergebnis, so kann ein Antrag beim Katasteramt in Faro auf Mitteilung der exakten amtlichen Koordinaten der Grenzpunkte des Grundstücks gestellt werden.

Sollte sich aufgrund all dieser Ermittlungen nicht eindeutig ergeben, dass die Zufahrt Teil Ihres Grundstücks ist, so ist durch Einsichtnahme in das Grundbuch zu überprüfen, ob das Nachbargrundstück tatsächlich zugunsten Ihres Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Wegerechts (servidão de passagem) belastet ist. Grunddienstbarkeiten sind dingliche Rechte an einem Grundstück zugunsten eines anderen Grundstücks. Man spricht auch von dem dienenden und von dem herrschenden Grundstück. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks hat das Recht, das dienende Grundstück entsprechend dem Inhalt der Grunddienstbarkeit zu nutzen, beim Wegerecht die Nutzung des Weges auf dem Nachbargrundstück, um zu seinem eigenen Grundstück zu gelangen. Es ist zwischen freiwillig begründeten und gesetzlichen Wegerechten zu unterscheiden.

Besteht keine Anbindung eines Grundstücks an das öffentliche Wege- und Straßennetz und kann eine solche auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand geschaffen werden, so hat der Eigentümer dieses Grundstücks gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks gegen Zahlung einer Entschädigung Anspruch auf die Schaffung eines Weges. Hierbei handelt es sich um die in den Artikeln 1550 ff des Código Civil gesetzlich geregelte Grunddienstbarkeit des Notwegerechts. Bei dem gesetzlichen Notwegerecht muss man den Notweg für Nachbarn dulden, wenn das Grundstück nicht an einer öffentlichen Straße liegt und der Nachbar kein privates Wegerecht zu einer öffentlichen Straße hat, denn das Gesetz geht davon aus, dass für jedes Grundstück eine ordentliche Bewirtschaftung möglich sein muss. Das Notwegerecht kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.

Das freiwillige Wegerecht wird regelmäßig durch einen mündlichen oder schriftlichen Vertrag zwischen den jeweiligen Grundstückseignern begründet.

Ist auch kein Hinweis auf das Vorhandensein eines freiwilligen oder gesetzlichen Wegerechts ersichtlich, so können „historische Recherchen“ angestellt werden. Diese Recherchen werden bei den Ämtern, hauptsächlich beim Grundbuchamt und den Notariaten durchführt und sind arbeits- und zeitaufwendig; sie dienen
dazu, Urkunden oder andere Belege für die Grenzziehung zwischen den aneinandergrenzenden Grundstücken zu Beweiszwecken aufzufinden. Hier kommt insbesondere die Begründung einer Dienstbarkeit oder Grenzziehung gemäß Artikel 1549 des Código Civil „durch Bestimmung des Familienvaters“ in Betracht. Die Begründung eines solchen Rechts setzt voraus, dass zwei Grundstücke demselben Eigentümer gehören und beständige Zeichen zur gegenseitigen Nutzbarkeit der beiden Grundstücke gegeben sind. Eine solche Bestimmung, kann bei einer Trennung der Grundstücke als Nachweis des Vorhandenseins einer Dienstbarkeit und der Grenzziehung dienen.

Schließlich ist der Eigentumserwerb an dem streitigen Grundstücksteil unter Umständen durch Ersitzung (usucapio) denkbar. Sie können durch die bloße langjährige Ausübung des Besitzes Eigentümer des Grundstücksteils werden. Insoweit gibt es im portugiesischem Recht verschiedene Tatbestände der Ersitzung mit verschiedenen Ersitzungsfristen, längstens 20 Jahre.


Eingestellt am 30.09.2015 von S.Gress
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