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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft nach portugiesischem und deutschen Recht

Leseranfrage:
Mein kürzlich verstorbener Vater hat kein Testament hinterlassen; seine gesetzlichen Erben sind meine Schwester und ich. Mein Vater hatte eine Mietwohnung in Deutschland und ein kleines Haus an der Algarve. Sein Nachlass ist erheblich überschuldet, weshalb ich die Erbschaft ausschlagen möchte. Da nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wo sich zum Zeitpunkt des Todes meines Vaters sein gewöhnlicher Aufenthalt befand, in Portugal oder in Deutschland, kommt sowohl portugiesisches als auch deutsches Erbrecht als das auf seinen Nachlass anzuwendende Recht in Betracht. Wie ist die Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft in den beiden Staaten geregelt?

Antwort:
Nach Artikel 21 der seit 17. August 2015 geltenden Europäischen Erbrechtsverordnung unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts hatte, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist ein Rechtsbegriff, der ein tatsächliches Verhältnis beschreibt und nach der Regel Nr. 9 der Entschließung des Ministerkomitees des Europarates vom 18. Januar 1972 zur Vereinheitlichung der Rechtsgrundbegriffe „Wohnsitz“ und „Aufenthalt“ dort gegeben ist, wo die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthaltes sowie andere Umstände persönlicher und beruflicher Natur die dauerhafte Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen.

Wo sich der gewöhnliche Aufenthalt Ihres Vaters also tatsächlich befand, ist daher aufgrund seiner Lebensumstände festzustellen.

Dem nach Artikel 21 der Europäischen Erbrechtsverordnung anzuwendenden Recht unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen, insbesondere auch der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft und deren Wirkungen.

Nach deutschem Erbrecht geht das Vermögen des Erblassers mit seinem Tod auf seine Erben über. Nach dem Prinzip des „Vonselbsterwerbs“ tritt der Erbe mit dem Erbfall vorläufig in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Dafür bedarf es keiner weiteren Handlung oder Erklärung des Erben, er hat jedoch das Recht, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen.

Der vorläufige Erbe kann die Erbschaft durch eine Erklärung annehmen. Diese Erklärung kann entweder durch ausdrückliche Äußerung erfolgen oder durch sogenanntes schlüssiges Verhalten, wenn er sich beispielsweise wie ein Erbe verhält.

Endgültig erlangt der vorläufige Erbe die Erbschaft erst mit der Annahme, bis dahin herrscht ein Schwebezustand. Die Annahme der Erbschaft beendet diesen Schwebezustand; ab diesem Zeitpunkt kann der Erbe auch nicht mehr ausschlagen.

Die Ausschlagung der Erbschaft erfolgt nach deutschem Recht gegenüber dem Nachlassgericht und ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung als Erbe Kenntnis erlangt. Die Frist beträgt jedoch sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält. Mit dem Ablauf dieser Fristen gilt die Erbschaft als angenommen: Die Annahme der Erbschaft wird also unterstellt. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt und die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte.

Wie oben dargelegt, kann die Erbschaft nicht mehr ausgeschlagen werden, wenn sie einmal angenommen worden ist. Jedoch kann sich der Erbe von der einmal getroffenen Entscheidung, das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen unter Umständen durch Anfechtung wieder lösen. Dies setzt aber einen Irrtum, eine Täuschung oder eine Drohung voraus. Der in der Praxis häufigste Fall ist, dass der Erbe sich über den Umfang des Nachlasses irrt, beispielsweise weil ihm Schulden des Erblassers nicht bekannt waren.

Nach portugiesischem Recht muss der Erbe die Erbschaft im Gegensatz zum deutschen Recht annehmen. Die nach portugiesischen Recht erforderliche Annahme ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann durch eine ausdrückliche schriftliche oder mündliche Erklärung oder auch stillschweigend erfolgen. Eine stillschweigende Annahme erfolgt beispielsweise durch die Inbesitznahme und Nutzung von Nachlassgegenständen, wie der Bezug einer Immobilie oder die Nutzung eines Kraftfahrzeugs aus dem Nachlass. Die Absicht, eine Erbschaft anzunehmen, muss jedenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Das Eigentum und der Besitz am Nachlassvermögen geht erst mit der Annahme auf den oder die Erben über.

Die Erklärung der Erbschaftsannahme ist unwiderruflich und das Recht auf Annahme verjährt mit Ablauf von zehn Jahren ab Kenntnis der Erbberechtigung.
Da der Erbe nach portugiesischem Recht die Erbschaft annehmen muss, braucht er sie nicht auszuschlagen. Gleichwohl ist die Erbausschlagung in den Art. 2062 bis 2067 des Código Civil geregelt.

Die Ausschlagung ist nur bezüglich der gesamten Erbschaft möglich und ist wie die Erbschaftsannahme unwiderruflich und kann weder unter einer Bedingung noch einer Befristung erfolgen. Die Annahme unter unter dem Vorbehalt der Durchführung eines Inventarerrichtungsverfahrens wird nicht als Bedingung angesehen. Durch dieses Verfahren wird eine Haftungsbeschränkung der Erben auf den Nachlass erreicht.

Sowohl die Annahme der Erbschaft als auch die Ausschlagung können wegen Täuschung oder Zwangs angefochten werden, die Annahme darüberhinaus wegen einfachen Irrtums.



Eingestellt am 30.03.2020 von S.Gress
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