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Ehescheidung in Deutschland oder in Portugal?
Mein Ehemann und ich leben seit zwölf Jahren in Portugal, wir haben in Deutschland keinen Wohnsitz mehr. Wir leben seit kurzer Zeit getrennt und wollen unsere Ehe scheiden lassen. Unsere Kinder sind volljährig und leben in Deutschland. Mein Ehemann hat während unserer über fünfundzwanzigjährigen Ehe ein erhebliches Vermögen aus Immobilien und Anlagen gebildet. Die Immobilien, die sämtlich im Alleineigentum meines Ehemannes stehen, wurden teilweise auch mit meinem Vermögen finanziert, das ich durch Erbschaft von meinen Eltern erwarb. Bei unserer Scheidung geht es mir hauptsächlich um die Vermögensauseinandersetzung. Wir sind im Güterstand der Zugegewinngemeinschaft verheiratet. Es wird auch um Unterhalt und Versorgungsausgleich gehen, da mein Ehemann hohe Ruhestandsbezüge erhält, wohingegen ich bei Erreichen der Altersgrenze lediglich eine geringe Rente erhalten werde.
Da Sie beide in Portugal leben und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, können das Scheidungsverfahren und die Folgesachen sowohl in Deutschland als auch in Portugal anhängig gemacht werden.
In Portugal werden einvernehmliche Ehescheidungen, bei denen zwischen den Ehegatten auch Einvernehmen über die Folgesachen besteht, vor dem Standesamt durchgeführt. Dieses Verfahren hat gegenber dem einvernehmlichen Scheidungsverfahren vor einem deutschen Familiengericht erhebliche Vorteile:
Die Eheleute können die einvernehmliche Scheidung bei einem Standesamt ihrer Wahl beantragen und es besteht kein Anwaltszwang. Die Verfahrenskosten betragen derzeit lediglich € 255,- und das Verfahren kann in wenigen Wochen durchgeführt werden.
Mit dem Scheidungsantrag sind jedoch Vereinbarungen der Ehegatten über die Vermögensauseinandersetzung, über die Ausübung der elterlichen Sorge, falls minderjährige Kinder vorhanden sind, sowie über Ehegattenunterhalt und die zukünftige Nutzung der bisherigen ehelichen Wohnung beim Standesamt einzureichen.
Sofern minderjährige Kinder beteiligt sind, muss der Standesbeamte die Vereinbarungen bezüglich der Kinder (elterliche Sorge, Umgangsrecht und Kindesunterhalt) der Staatsanwaltschaft vorlegen, die für die Übeprüfung des Kindeswohls zuständig ist.
Sofern die dem Standesbeamten vorgelegten Vereinbarungen keinen der Beteiligten unangemessen benachteiligt, kann die Ehe geschieden werden. Diese Entscheidung hat - auch in Deutschland - dieselbe Wirkung wie ein gerichtliches Urteil. Ein weiterer Vorteil gegenüber dem deutschen Scheidungsrecht ist, dass das Trennungsjahr nicht Voraussetzung für diese Art der einvernehmlichen Scheidung ist.
Der Grund, weshalb dieses in jeder Hinsicht günstige Scheidungsverfahren in vielen Fällen nicht durchgeführt werden kann ist, dass die Eheleute über sämtliche oben erwähnten Folgesachen bereits mit dem Scheidungsantrag entsprechende Vereinbarungen vorlegen müssen.
Für Scheidungen ohne Einvernehmen über die Folgesachen und Verfahren ohne Zustimmung eines Ehegatten zur Scheidung ist in Portugal das Familien- und Jugendgericht am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers zuständig. Für diese Verfahren besteht Anwaltszwang. Ehegatten, die ein streitiges Verfahren wegen Zugewinnausgleich nach deutschem Recht durchführen wollen, ist jedoch davon abzuraten, ein portugiesisches Familiengericht anzurufen. Das deutsche Zugewinnausgleichsverfahren ist selbst für deutsche Familienrichter äusserst komplex und kompliziert und dürfte einem portugiesischen Familienrichter keine Freude bereiten.
Sofern die Eheleute im deutschen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet sind und mangels Bereitschaft zur Einigung, ein gerichtlichens Zugewinnausgleichsverfahren durchgeführt werden muss, ist dringend anzuraten, ein deutsches Familiengericht anzurufen.
Das Problem hierbei ist jedoch, dass Voraussetzung für die Einreichung eines Scheidungsantrags und Anhängigmachung des Zugewinnausgleichsverfahrens bei einem deutschen Familiengericht grundsätzlich der Ablauf des Trennungsjahres ist.
Der vorzeitige Zugewinnausgleich ohne gleichzeitiges Scheidungsverfahren kann nur nach dreijähriger Trennung beantragt werden.
Ist ein Scheidungsantrag bei einem Gericht anhängig gemacht worden, so ist dieses Gericht auch für die Folgensachen, also auch für das Zugewinnausgleichsverfahren, zuständig. Das bedeutet, dass derjenige, der den Scheidungsantrag zuerst stellt, noch die Wahl hat, bei welchem Gericht über den Scheidungsantrag und damit auch über die Folgesachen entschieden werden soll, sofern verschiedenene Gerichte in verschiedenen Ländern international zuständig sind. Hierbei spricht man von „Forum Shopping“, dem systematischen Ausnutzen nebeneinander bestehender Gerichtszuständigkeiten, um bestimmte rechtliche oder tatsächliche Vorteile auszunutzen.
Nach dem Haager Unterhaltsprotokoll ist grundsätzlich das materielle Unterhaltsrecht des Landes für die Zahlung von Ehegattenunterhalt anwendbar, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da Sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal haben, findet portugiesisches Unterhaltsrecht Anwendung, auch wenn ein deutsches Familiengericht entscheidet. Ist das Unterhaltsverfahren bei einem deutschen Familiengericht anhängig, so können die Parteien jedoch abweichend von diesem Grundsatz die Anwendung deutschen Unterhaltsrechts vereinbaren, was in dem meisten Fällen für den unterhaltsberechtigten Ehegatten günstiger ist.
Der Versorgungsausgleich ist nach deutschem Familienrecht der bei der Scheidung stattfindende Ausgleich der während der Ehezeit von den Eheleuten erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Er wird nach deutschem Recht vom Familiengericht im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens von Amts wegen durchgeführt. Ein ausgleichsberechtigter, nicht von einem deutschen Familiengericht geschiedener Ehegatte, kann den Versorgungausgleich jedoch jederzeit unabhängig von dem Scheidungsverfahren bei dem zuständigen deutschen Familiengericht beantragen.
Eingestellt am 28.03.2020 von S.Gress
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