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Das Ehegattenerbrecht während des Scheidungsverfahrens

Leseranfrage: Mein Ehemann und ich haben 2011 in Deutschland ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, in dem wir uns gegenseitig als Alleinerben und den Sohn meines Ehemannes aus erster Ehe als Schlusserben nach dem Tode des Überlebenden von uns eingesetzt haben. Später sind wir nach Portugal gezogen.

Im Juli 2019 hat mein Ehemann beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin Antrag auf Scheidung unserer Ehe gestellt und ein Zugewinnausgleichsverfahren eingeleitet. Bei Einreichung des Scheidungsantrags lebten wir bereits länger als ein Jahr getrennt.

Ich habe der Scheidung nicht zugestimmt, da ich das Scheidungsverfahren wegen des Zugewinnausgleichsverfahrens verzögern wollte.

Ende 2020 ist mein Ehemann verstorben, auf seinen Nachlass ist deutsches Erbrecht anzuwenden. Wir lebten zu diesem Zeitpunkt zweieinhalb Jahre getrennt.

Da unsere Ehe zum Zeitpunkt des Todes meines Ehemannes noch nicht geschieden war, habe ich bei dem Amtsgericht, wo unser gemeinschaftliches Ehegattentestament hinterlegt war, die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin meines verstorbenen Ehemannes beantragt. Der Sohn meines Ehemannes hat ebenfalls einen Erbscheinsantrag zu seinen Gunsten als Alleinerbe seines Vaters gestellt, sodass nun ein streitiges Erbscheinsverfahren geführt wird. Wie wird das Amtsgericht entscheiden?


Antwort: Das Erbrecht des Ehegatten ist grundsätzlich an das Bestehen der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls gebunden. Unter welchen Voraussetzungen das Ehegattenerbrecht während eines laufenden Scheidungsverfahrens wegfällt, ist im deutschen Familienrecht genau geregelt.

Konnte die Ehe vor Eintritt des Erbfalls nicht rechtskräftig geschieden werden, hat die betreffende Ehe weiterhin Bestand. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Ehegattenerbrecht uneingeschränkt fortbesteht.

Gemäss § 1933 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist das gesetzliche  Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Entsprechende Regelungen gelten auch für Testamente und Erbverträge.

Formelle Voraussetzung für den Ausschluss des Ehegattenerbrechts ist zunächst, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein Antrag auf Ehescheidung bei Gericht rechtshängig war. Rechtshängigkeit bedeutet, dass dass der Scheidungsantrag dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Die blosse Einreichung des Scheidungsantrags bei Gericht, die sogenannte Anhängigkeit reicht für den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht aus.

Im vorliegenden Fall hat der Erblasser einen Scheidungsantrag gestellt, der zum Zeitpunkt des Erbfalls auch rechtshängig war.

Neben diesen formellen Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers jedoch auch die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorgelegen haben.

Ob eine Ehe gescheitert ist und geschieden werden kann, richtet sich im deutschen Familienrecht nach den §§ 1565 ff BGB.

Nach § 1565 Absatz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, d.h. wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen.

Gemäss § 1566 Absatz 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Dies ist vorliegend nicht gegeben, da Sie dem Scheidungsantrag Ihres Ehegatten weder zugestimmt noch einen eigenen Scheidungsantrag gestellt haben.

Gemäss § 1566 Absatz 2 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. Auch dieser Ausschlussgrund ist vorliegend nicht gegeben, da Sie zum Zeitpunkt des Todes Ihres Ehegatten erst zweieinhalb Jahre getrennt gelebt hatten.

Da somit die Voraussetzungen für die Scheidung Ihrer Ehe zum Zeitpunkt des Todes Ihres Ehegatten nach deutschem Erbrecht nicht vorlagen, war das Ehegattenerbrecht nicht ausgeschlossen, sodass Ihr Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin Aussicht auf Erfolg hat.

Auf die Scheidung ist jedoch grundsätzlich das  Recht  des  Staates anzuwenden, in  dem  die  Ehegatten  zum  Zeitpunkt der  Anrufung  des  Gerichts  ihren  gewöhnlichen  Aufenthalt haben. Hatten die Ehegatten in vorliegendem Fall zum  Zeitpunkt der  Anrufung  des  Gerichts  ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal, so wäre portugiesisches Recht anzuwenden, sofern die Ehegatten keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen hatten.

Gemäß Artikel 1773 Absatz 3 des portugiesischen Código Civil (CC) kann die Scheidung ohne Zustimmung des einen Ehegatten von dem anderen beim Familiengericht mit einem der Gründe, die in Artikel 1781 CC angegeben sind, beantragt werden. Danach ist der wichtigste Grund für die Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten die einjährige ununterbrochene Trennung. Nach portugiesischem Familienrecht wären in vorliegendem Fall die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers daher gegeben. In diesem Falle wäre Ihr Ehegattenerbrecht weggefallen.

Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin hat eine Restzuständigkeit in Familiensachen für deutsche Staatsangehörige, die in Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr haben. Das Gericht weist bei Scheidungsanträgen von Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Portugal regelmässig darauf hin, dass portugiesisches Scheidungsrecht zur Anwendung kommt, falls die Ehegatten keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Scheidungsrechts als dem Recht ihrer gemeinsamen Staatsangehörigkeit treffen


Eingestellt am 10.04.2023 von S.Gress
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