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Erbverträge und gemeinschaftliche Ehegattentestamente bei gemischt nationalen Ehen

Leseranfrage: Ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, meine Ehefrau ist Portugiesin. Wir leben und arbeiten in Deutschland, beabsichtigen aber, in einigen Jahren ganz nach Portugal umzusiedeln. Wir wollen nun in Deutschland unsere Erbfolge regeln und würden gerne einen Erbvertrag abschließen oder ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichten. Sind diese Verfügungen von Todes wegen auch nach unserem Umzug in Portugal wirksam?

Antwort: Mit der Europäischen Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 ( EU-ErbVO), die auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung findet, die am 17. August 2015 oder danach versterben, wurde das Erbrecht mit Auslandsbezug innerhalb der EU auf bestimmten Gebieten vereinheitlicht. Wesentliche Bestimmungen betreffen das in einem Erbfall anzuwendende Recht, die gerichtliche und behördliche Zuständigkeit sowie die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
Die EU-ErbVO legt insbesondere fest, welches nationale Erbrecht auf Erbfälle ab dem 17.08.2015 anzuwenden ist, denn die EU-ErbVO begründet kein einheitliches europäisches Erbrecht, vielmehr gilt in jedem EU-Mitgliedsstaat weiterhin sein nationales Erbrecht.
Nach Art. 21 Absatz 1 der EU-ErbVO unterliegt für Erbfälle ab dem 17. August 2015 die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für Deutsche, die in Portugal Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gilt danach im Erbfall portugiesisches Erbrecht.
Jedoch ermöglicht Art. 22 der EU-ErbVO für Erbfälle ab dem 17.08.2015 abweichend hiervon die Wahl des Erbrechts der eigenen Staatsangehörigkeit.
Danach kann der Erblasser die Erbfolge dem Recht des Staates unterstellen, dem er zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört und damit sicherstellen, dass er nach dem Recht seines Heimatstaates beerbt wird.
Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen.
Personen, die wie Ihre Ehefrau derzeit und die wie Sie in einigen Jahren in einem anderen Staat als dem ihrer eigenen Staatsangehörigkeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sollten daher überprüfen, welches auf ihren Erbfall anzuwendende Erbrecht zu dem gewünschten Ergebnis führt, das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthaltes oder das Recht ihrer Staatsangehörigkeit.
Der Erbvertrag ist neben dem Testament im deutschem Recht eine alternative Möglichkeit, durch Verfügung von Todes wegen Regelungen über den eigenen oder gemeinschaftlichen Nachlass zu treffen. Man kann seinen letzten Willen also entweder in Form eines Testaments verfassen oder aber einen Erbvertrag schließen.
Der wesentliche Unterschied zum Testament besteht darin, dass der Erblasser sich beim Erbvertrag gegenüber seinem Vertragspartner bindet. Der Erbvertrag muss durch den Erblasser höchstpersönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Vertragspartner vor einem Notar geschlossen werden.
Erbverträge und gemeinschaftliche Ehegattentestamente werden von zahlreichen Rechtsordnungen (beispielsweise der spanischen, belgischen, französischen und italienischen) nicht anerkannt und sind auch in  Portugal gemäss Artigo 2181 des portugiesischen Código Civil wegen Verstoßes gegen die Testierfreiheit verboten, weil durch die Bindungswirkung die Testierfreiheit beeinträchtigt werde. Die EU-ErbVO enthält konkrete Bestimmungen über den Erbvertrag, nicht hingegen über das gemeinschaftliche Ehegattentestament.
Verfügt in einem Erbvertrag nicht nur eine der Parteien über ihren Nachlass, sondern betrifft er die Nachlässe mehrerer am Erbvertrag beteiligter Personen, so ist der Erbvertrag insgesamt unwirksam, wenn auch nur die darin enthaltene Verfügung einer einzigen Partei nach der Rechtsordnung, die auf ihre letztwilligen Verfügungen anwendbar ist, in erbvertraglicher Form nicht zulässig ist.
Nach Art. 25 Absatz 2 der EU-ErbVO ist ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, nur zulässig, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Für Erbverträge gilt also nach der EU-ErbVO das jeweilige Recht, nach dem die vertragschließenden Parteien bei Abschluss des Vertrages beerbt werden würden.
Da Sie und Ihre Ehefrau bei Abschluss des Erbvertrages beide Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, kommt der Erbvertrag bezüglich beider vertragschließenden Parteien nach deutschem Recht wirksam zustande.
Durch einen Umzug nach Portugal und damit die Änderung Ihres gewöhnlichen Aufenthalts könnte der nach deutschen Recht wirksame Erbvertrag unwirksam werden, wenn Sie und Ihre Ehefrau bei Abschluss des Erbvertrages keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts treffen würden.
Nach Art. 25 Absatz 3 der EU-ErbVO können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 der Verordnung unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Da Sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, können Sie nach Artikel 22 der EU-ErbVO für Ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht wählen, nach dem der Erbvertrag rechtswirksam ist.
Wenn Sie und Ihre Ehefrau in einigen Jahren durch Umzug Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal haben, kann der Erbvertrag dort dann anerkannt werden, weil er nach dem Recht nur eines der beiden Staatsangehörigen rechtswirksam ist.
Ob Ehegatten, die nicht beide dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen, für ein gemeinschaftliches Ehegattentestament eine wirksame Rechtswahl treffen können, ist streitig. Diese Ehepaare sollten daher aus Gründen der Rechtssicherheit hierauf verzichten und den vorstehend dargestellten Weg wählen.


Eingestellt am 10.04.2023 von S.Gress
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