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Kindergeldanspruch nach EU-Recht
Ich lebe mit meinem achtjährigen Sohn in Portugal. Der Vater meines Sohnes, mit dem ich nicht verheiratet bin, lebt in Deutschland. Er wurde von dem zuständigen portugiesischen Familiengericht verurteilt, Kindesunterhalt an mich zu zahlen. Da er bisher in Deutschland Kindergeld für unseren Sohn bezogen hat, erhielt ich zu dem vom Gericht festgesetzten Unterhaltsbetrag monatlich noch das hälftige Kindergeld. Im Mai diesen Jahres hob die Familienkasse die Gewährung des Kindergeldes an den Vater mit der Begründung auf, dass unser Sohn nicht in seinem Haushalt lebe, sondern bei der Kindesmutter in Portugal. Ich ging bisher davon aus, dass ich keinen Anspruch auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld habe. Wie ist die Rechtslage?
Ob einem Elternteil Kindergeld nach deutschem Recht zusteht, ist in den §§ 62 ff des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Nach § 62 EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat oder im Ausland wohnt, aber in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind natürliche Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies trifft im vorliegenden Fall auf den Kindesvater zu, weshalb er in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld gemäß §§ 62, 63 EStG hat. Neben dem eigenen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ist für den Kindergeldanspruch nur noch erforderlich, dass das Kind in einem Mitgliedsland der Europäischen Union lebt. Sie haben somit keinen Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht, weil Sie in Deutschland weder einen Wohnsitz noch Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Am 1. Mai 2010 trat jedoch die Verordnung (EG) Nr.987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr.883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Kraft.
Diese Verordnungen regeln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, welche nationalen Rechtsvorschriften für Familienleistungen, wie beispielsweise Kindergeld, auf die Berechtigten und ihre Familienangehörigen jeweils anzuwenden sind und welcher Anspruch vorrangig zu erfüllen ist, falls ein Anspruch auf deutsche Familienleistungen mit Ansprüchen auf
entsprechende Familienleistungen anderer EU-Staaten zusammentrifft.
Diese EU-Regelungen enthalten keine eigenständigen Bestimmungen darüber,
wie der Rechtsanspruch auf Familienleistungen konkret ausgestaltet ist; dies ist den nationalen Bestimmungen vorbehalten. Den berechtigten Personen soll durch diese Regelungen lediglich der Zugang zu den Ansprüchen nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften eröffnet werden.
Ob in Deutschland für ein Kind ein Anspruch auf Kindergeld aufgrund dieser Rechtsvorschriften besteht, ist nur dann zu prüfen, wenn ein solcher Anspruch nicht bereits unmittelbar aus dem EStG hergeleitet werden kann, wie in Ihrem Fall. Es geht also um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Elternteil, dessen Lebens- oder Arbeitssituation Bezüge zu anderen Staaten der Europäischen Union aufweist, Anspruch auf Kindergeld in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Die Familienkassen wenden das neue Recht in der Praxis oft zu Lasten von Elternteilen an, die bisher einen Kindergeldanspruch hatten. In dem Fall des Vaters Ihres Sohnes bezieht sich die Familienkassen auf Art. 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr.987/2009 und behauptet, dem Elternteil, der im EU-Ausland mit dem Kind wohne, stehe auch ein Anspruch auf Kindergeld zu. Wenn aber beiden Elternteilen ein Anspruch zusteht, ist das Kindergeld demjenigen auszuzahlen, bei dem das Kind wohnt und der es betreut. Mit dieser Begründung wird im vorliegenden Fall dem Kindesvater der Kindergeldanspruch entzogen.
Art. 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) 987/2009 bestimmt, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, dass die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Danach steht – so die Familienkassen – dem Kindergeldanspruch des inländischen Elternteils die fehlende Haushaltszugehörigkeit des Kindes entgegen. Vielmehr könne der im EU-Ausland lebende Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, einen Kindergeldanspruch in Deutschland geltend machen.
Somit haben Sie nun die Möglichkeit, einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse in Deutschland zu stellen.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass auf diesem Gebiet noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht, da es unterschiedliche Rechtsprechung verschiedener deutscher Gerichte zur Anwendung und Auslegung der beiden EU-Verordnungen
gibt. Insoweit stehen noch klärende Entscheidungen des Bundesfinanzhofs und des Europäischen Gerichtshofs aus.
Eingestellt am 04.06.2019 von S.Gress
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