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Ersatzhaftung der Großeltern für den Unterhalt der Enkel

Leseranfrage:

Ich zahle seit Jahren Unterhalt an meinen minderjährigen Enkel, weil mein Sohn, der Vater des Kindes, seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Gegen meinen Sohn besteht ein Urteil auf Unterhaltszahlung, welches jedoch seit längerer Zeit nicht vollstreckt werden kann, da er häufig seinen Wohnsitz wechselt.

Mein Enkel lebt bei seiner Mutter in Deutschland, die ihre Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung und Erziehung ihres Kindes erfüllt.

Ist meine Inanspruchnahme rechtmäßig?


Antwort:

Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, also auch Großeltern gegenüber den Enkeln und umgekehrt, nicht hingegen Verwandte in Seitenlinie, wie Geschwister oder Verschwägerte. Dabei haften zunächst die näheren vor den entfernteren Verwandten, also die Eltern für den Unterhalt ihrer Kinder vor den Großeltern.

Der häufigst Fall der Ersatzhaftung ist die Großelternhaftung. Ein Anspruch des Kindes gegen die Großeltern auf Ersatzhatung ist dann gegeben, wenn ein Elternteil oder beide Elternteile nicht leistungsfähig sind oder sich der Leistung entziehen oder der Unterhaltstitel nicht vollstreckbar ist.
Soweit ein Verwandter nicht unterhaltspflichtig ist, weil er nicht leistungsfähig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren.
Als nicht leistungsfähig gilt, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensunterhalts den Unterhalt zu gewähren.
Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte, ist eine Ersatzhaftung wegen Leistungsunfähigkeit gegenüber minderjährigen Kindern und den ihnen gleichgestellten im Haushalt eines Elternteils lebenden volljährigen Schülern die Ausnahme, da die Eltern gegenüber diesen Kindern eine erhöhte Leistungsverpflichtung trifft. Das bedeutet, dass alle verfügbaren Mittel zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung eingesetzt werden müssen. Soweit der unterhaltspflichtige Elternteil überhaupt nichts verdient oder lediglich ein unter dem Selbstbehalt liegendes Einkommen erzielt, wird bei Arbeitsfähigkeit ein fiktives Einkommen angesetzt, durch das zumindest der Mindestunterhalt des Kindes gesichert werden soll. Der Unterhaltsschuldner hat sich leistungsfähig zu halten. Verstößt er hiergegen, werden fiktive Einkünfte für die Unterhaltsberechnung herangezogen, wenn der Unterhaltspflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt. Es dürfen bei einer solchen Unterstellung der Leistungsfähigkeit jedoch nur realistisch erzielbare Einkünfte fiktiv angesetzt werden.
Ersatzhaftung tritt jedoch nicht nur bei Leistungsunfähigkeit des primär Haftenden ein, sondern auch dann, wenn die Rechtsverfolgung gegen diesen im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Dies ist in Ihrem Fall gegeben: Ihr Sohn ist zwar leistungsfähig, er entzieht sich jedoch seiner Unterhaltsverpflichtung. Die häufigsten Fälle in der Praxis, in denen die Rechtsverfolgung im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, sind die Fälle mit Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung. Hierzu gehören auch die Fälle der Nichteintreibbarkeit von Unterhalt bei Verurteilung des Unterhaltschuldners aus bloßer fiktiver Leistungsfähigkeit wie oben ausgeführt.
Der Anspruch gegen einen solchen Unterhaltspflichtigen, der an sich leistungsfähig ist, geht, soweit ein anderer verpflichteter Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über.
Ein primär Unterhaltspflichtiger, der nicht leistungsfähig ist, muss also auch keinen Regress leisten. Auf denjenigen Unterhaltspflichtigen, der leistungsfähig ist, sich jedoch seiner Unterhaltsverpflichtung entzieht wie im vorliegenden Fall, kann der ersatzweise Haftende Rückgriff nehmen: Der Anspruch des Kindes auf Unterhaltszahlung geht auf ihn über. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Die Unterhaltshöhe und der Bedarf des Kindes richtet sich nach der Lebensstellung der Eltern, nicht seiner Großeltern. Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Großeltern ist zu deren Gunsten grundsätzlich ein großzügiger Maßstab angebracht.
Sinn dieser Kombination aus Ersatzhaftung und gesetzlichem Forderungsübergang ist es, dem Kind eine langwierige Rechtsverfolgung gegen den primär Haftenden zu ersparen, indem durch die unmittelbare Inanspruchnahme des sekundär haftenden Verwandten die Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes sichergestellt wird. Das Vorgehen gegen den primär Verpflichteten bleibt dem Ersatzhaftenden überlassen.
Sind sowohl der barunterhaltspflichtige Elternteil als auch der betreuende Elternteil, bei dem das Kind lebt, leistungsunfähig, richtet sich die Ersatzhaftung grundsätzlich gegen alle Großeltern.
Erfüllt dagegen ein Elternteil gegenüber dem minderjährigen Kind seine Unterhaltspflicht durch Betreuungsleistung wie vorliegend die Mutter, ohne jedoch in der Lage zu sein, auch für den Barunterhalt aufzukommen, und entzieht sich der barunterhaltspflichtige Elternteil der Unterhaltsverpflichtung, ist strittig, ob sich der Ersatzanspruch gegen die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits richtet oder nur gegen die Großeltern des sich der Barunterhaltspflicht entziehenden Elternteils. Der Bundesgerichtshof vertritt die Meinung, dass auch in diesem Falle alle Großeltern haften.



Eingestellt am 30.09.2015 von S.Gress
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