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Erhöhung der Erbquote nach deutschem Recht in einem portugiesischem Erbfall
Leseranfrage:
Ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit und war mit einem portugiesischen Staatsangehörigen verheiratet, der vor zwei Monaten verstorben ist. Wir haben uns in Deutschland kennengelernt, dort geheiratet und mehr als zwanzig Jahre in Hamburg gewohnt. Wir lebten im deutschen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und haben einen gemeinsamen Sohn. Mein Ehemann hat zwei weitere Kinder aus erster Ehe, die in Portugal leben. Er besaß mehrere Immobilien in Portugal, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Darüber hinaus hatten wir zusammen ein Einfamilienhaus in Deutschland.Da mein Ehemann die portugiesische Staatsangehörigkeit besaß, ist auf seinen Erbfall portugiesisches Erbrecht anzuwenden; er hatte kein Testament gemacht, sodaß die gesetzlich Erbfolge gemäß dem portugiesischen Código Civil gilt. Danach erbe ich als Ehefrau neben den drei Kindern ein Viertel des Nachlasses. Da wir im ehelichen Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft verheiratet waren, erhöht sich nach meiner Auffassung mein Erbteil um ein Viertel auf Einhalb des Nachlasses. Hierüber befinde ich mich mit den Kindern meines Ehemannes aus erster Ehe in einem erbitterten Streit; sie wollen mir nur ein Viertel des Nachlasses zugestehen. Wer hat Recht?
Antwort:
Bei Eheleuten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit ist zu klären, nach welchem Recht sich ihr ehelicher Güterstand richtet. Da Sie keinen Ehevertrag geschlossen haben, richtet sich der Güterstand Ihrer Ehe nach dem Gesetz. Sowohl nach dem portugiesischen als auch nach dem deutschen Internationalen Privatrecht, richtet sich der eheliche Güterstand nach dem gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung oder dem ersten gemeinsamen Wohnsitz nach der Heirat.Da Sie und Ihr Ehemann an Ihrem damaligen gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland die Ehe geschlossen haben, richtet sich der eheliche Güterstand in Ihrem Falle nach deutschem Recht, sodass Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten.
Da Ihr Ehemann die portugiesische Staatsangehörigkeit besaß, ist auf seinen Erbfall portgiesisches Recht anwendbar. Denn als er verstarb, galt nach portugiesischem und deutschen Internationalen Privatrecht noch das sogenannte Staatsangehörigkeitsprinzip, wonach die Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgeblich dafür ist, welches Recht auf einen Erbfall Anwendung findet.
Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012, die in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark gilt, findet auf die Rechtsfolge von Personen Anwendung, die am 17. August 2015 oder danach versterben.
Mit dieser Verordnung soll das Erbrecht innerhalb der EU weiter vereinheitlicht werden. Die Verordnung vollzieht die Abwendung von dem in Deutschland und Portugal geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip und sieht die Anknüpfung an den sogenannten „gewöhnlichen Aufenthalt“ des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes vor.
Nach Art. 21 Absatz 1 der Verordnung unterliegt für Erbfälle ab dem 17. August 2015 die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wäre Ihr Ehemann am 17. August 2015 oder danach verstorben, so müsste zunächst geklärt werden, ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt seines Todes in Deutschland oder in Portugal hatte (siehe ESA 04/14, Seite. 43).
Nach § 1371 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches wird in dem Fall, dass der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben oder nicht. Danach wird der längerlebende Ehegatte besonders privilegiert. Zur Abgeltung seines Zugewinnausgleichsanspruchs erhöht sich sein gesetzliches Ehegattenerbrecht pauschal um ein Viertel, gegenüber Kindern des Erblassers steht ihm deshalb eine Erbquote von Einhalb statt ein Viertel zu.
In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Bestimmung des § 1371 Absatz 1 BGB güterrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist, was Konsequenzen für die Anwendung der Norm hat, wenn in einem Fall wie dem vorliegenden deutsches Güterrecht und ausländisches Erbrecht Anwendung finden.
Mit der überwiegenden Meinung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Entscheidung vom 12.11.2013 in einem Fall eines deutsch/griechischen Ehepaares § 1371 Absatz 1 BGB als rein güterrechtliche Norm qualifiziert und die nach griechischem Recht gebildetete Erbquote der deutschen Ehefrau nach dem Tode ihres Ehemannes pauschaliert um ein Viertel erhöht. Damit hat sich das Gericht in dem Streit um die Anwendbarkeit des § 1371 Absatz 1 BGB der Ansicht angeschlossen, die die güterrechtliche Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten auch dann für geboten hält, wenn ausländisches Erbrecht anzuwenden ist. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.05.2015 bestätigt.
Eingestellt am 30.09.2015 von S.Gress
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