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Elterliche Sorge und Wechselmodell bei getrennt lebenden Eltern
Ich habe einen fünfjährigen Sohn und bin vom Vater meines Sohnes geschieden. Wir haben im vergangenen Jahr eine einvernehmiche Scheidung vor dem Standesamt in Portugal durchgeführt und bezüglich der Betreuung unseres Sohnes das Wechselmodell vereinbart, wonach unser Sohn im wöchentlichen Wechsel bei mir und bei seinem Vater lebt. Ich war gegenüber dem Wechselmodell von Anfang an skeptisch eingestellt und bin nun nach einem Jahr der Praktizierung zu der Auffassung gelangt, dass unser Sohn durch den ständigen Wechsel seines Aufenthalts überfordert ist. Der Vater ist gegenteiliger Auffassung und möchte am Wechselmodell festhalten. Da er ein höheres Einkommen erzielt als ich, zahlt er einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 Euro.
Wir arbeiten beide im IT-Brereich und sind daher bezüglich der Betreuung unseres Sohnes beide flexibel. Wir wollen beide aus beruflichen Gründen wieder nach Berlin zurückkehren und der Vater hat bereits angedroht, dass er das Wechselmodell in Deutschland gerichtlich durchsetzen werde, wenn ich mich nicht an die getroffene Vereinbarung halten würde.
Wie ist die Rechtslage?
Sowohl in Portugal als auch in Deutschland üben nicht miteinander verheiratete oder geschiedene Eltern grundsätzlich kraft Gesetzes das elterliche Sorgerecht für ihr gemeinschaftliches Kind gemeinsam aus. Die Eltern haben die elterliche Sorge im gemeinsamen Einvernehmen auszuüben. Das gemeinsame Sorgerecht ist in beiden Rechtsordnungen der vom Gesetzgeber gewollte Normalfall. Können sich die Eltern in einer wichtigen Frage jedoch nicht einigen, so kann jeder Elternteil das Familiengericht anrufen und eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen.
Als paritätisches Wechselmodell wird in Deutschland die Regelung zur Betreuung gemeinsamer Kinder bezeichnet, wenn diese nach Trennung der Eltern in beiden Haushalten zu möglichst gleichen Zeitanteilen leben und betreut werden. Beide Elternteile bieten dem Kind ein Zuhause, in dem es sich abwechselnd aufhält.
Auch Portugal kennt ein derartiges Betreuungsmodell (residir alternadamente), das wie in Ihrem Falle zwischen den Eltern vereinbart werden kann.
Das deutsche Familienrecht geht vom Residenzmodell aus, das noch die überwiegend praktizierte Betreuungsregelung in Deutschland ist und wonach gemeinsame Kinder nach einer Trennung oder Scheidung nur von einem Elternteil betreut werden, in dessen Hauhalt sie dauerhaft leben. Dieser Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, gemäß § 1606 Absatz 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes; er erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind durch die Gewährung von Naturalunterhalt.
Derjenige Elternteil, in dessen Haushalt das Kind für gewöhnlich nicht lebt, hat in der Regel ein zeitlich begrenztes Umgangsrecht. In der Praxis wird beim Residenzmodell häufig der Kindesumgang des nicht betreuenden Elternteils mit seinem Kind im Umfang von zwei Wochenenden im Monat gewährt. Für diesen nicht betreuenden, barunterhaltspflichtigen Elternteil gilt die gesteigerte Erwerbsobliegenheit, d.h. der Unterhaltsverpflichtete muss alles Erdenkliche tun, um den Mindestkindesunterhalt zahlen zu können.
Das Wechselmodell ist in Deutschland gesetzlich nicht geregelt, es kann jedoch nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 1. Februar 2017 nun auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden.
Der Bundesgerichtshof begründet das Wechselmodell mit der Möglichkeit der Ausdehnung des Umgangsrechts bis zur Parität. Danach hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Nach dem Gesetz kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung näher regeln. Bei dem Verfahren betreffend den Umgang zwischen Eltern und Kind handelt es sich um ein grundsätzlich nicht antragsgebundenes Verfahren bei dem der entscheidende Maßstab das Kindeswohl ist. Das Familiengericht hat grundsätzlich diejenige Regelung zu treffen, die dem Kindeswohl am besten entspricht.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs enthält das Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern und somit zum Wechselmodell führen dürfen.
Der Bundesgerichtshof stellt in seinen Leitsätzen fest, dass eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, vom Gesetz nicht ausgeschlossen sei. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindere die Anordnung einer solchen Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung sei vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.
Des Weiteren wird in dem Gerichtsbeschluss festgestellt, dass eine auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraussetze Dem Kindeswohl entspreche es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen. Wenn das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet sei, liege die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
Praktizieren Eltern ein Wechselmodell, führt die von einem Elternteil paritätisch geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht. Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten. Der so ermittelte Gesamtbedarf des Kindes ist unter den Eltern entsprechend ihren Einkommensverhältnissen unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes aufzuteilen. Die konkrete Berechnung des Kindesunterhalts bereitet in diesen Fällen, in denen die Eltern ihr Kind nicht im klassischen, vom Gesetzgeber zu Grunde gelegten Residenzmodell betreuen, sondern im paritätischen Wechselmodell, erhebliche noch nicht geregelte Probleme.
Eingestellt am 31.03.2020 von S.Gress
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