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Die neue Europäische Gewaltschutzverordnung

Leseranfrage:

Ich habe bis November des vergangenen Jahres mit dem Vater unserer gemeinsamen vierjährigen Tochter in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland zusammengewohnt. Als ich meinem Partner eröffnete, dass ich mich von ihm trennen wolle, wurde er gewalttätig und schlug mich krankenhausreif. In der Folgezeit, nachdem ich aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, bedrohte er mich weiterhin massiv und terrorisierte mich mit Telefonanrufen.

Mit anwaltlicher Hilfe habe ich daraufhin im Dezember 2014 beim zuständigen Familiengericht in Deutschland eine einstweilige Anordnung erwirkt, wonach meinem Partner untersagt wurde, sich mir in einem Umkreis von 300 m zu nähern und mit mir in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Da ich aufgrund der erlittenen Gewalt an einem posttraumatischen Syndrom litt und nicht zur Ruhe kam, entschloss ich mich, zusammen mit meiner Tochter, für die ich das alleinige Sorgerecht habe, vorübergehend zu meinen in der Algarve lebenden Eltern zu ziehen.

Ich habe nun erfahren, dass es einen europaweiten Gewaltschutz gibt. Trifft das zu?


Antwort:

Es trifft zu, dass seit dem 11. Januar 2015 die „Verordnung (EU) 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen“ (Europäische Gewaltschutzverordnung) sowie die „Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Schutzanordnung“, die der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Schutzmaßnahmen in Strafsachen dient, gelten. Diese beiden europäischen Gesetzgebungswerke sollen die grenzüberschreitende Wirkung und Durchsetzung von nationalen Gewaltschutzanordnungen innerhalb der EU gewährleisten. Ihr Ziel ist es, im Zusammenhang mit Gewaltschutzmaßnahmen betroffenen Personen die Freizügigkeit innerhalb der EU zu sichern.

Sie haben in Deutschland eine gerichtliche Schutzmaßnahme nach dem nationalen Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001 erwirkt. Bis zur Geltung der beiden oben erwähnten europäischen Gesetzgebungswerke war eine solche Anordnung nur innerhalb der Grenzen Deutschlands wirksam; im Ausland entfaltete sie keine Wirkung.

In Deutschland fallen Gewaltschutzsachen insgesamt in die Zuständigkeit der Familiengerichte und sind somit Zivilsachen im Sinne der Europäischen Gewaltschutzverordnung. Diese gilt in der gesamten Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks und teilweise mit Ausnahme Irlands.

Gegenstand der Schutzmaßnahmen gemäß der Europäischen Gewaltschutzverordnung sind Betretungsverbote, Kontaktverbote und Näherungsverbote, nicht hingegen Maßnahmen der Wohnungszuweisung wie im deutschen Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001, das diesbezüglich weiter reicht.

Soweit die Gewaltschutzmaßnahmen in den Anwendungsbereich der Europäischen Gewaltschutzverordnung fallen, sind diese ohne ein besonderes Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken. Voraussetzung für die Durchsetzung der Schutzmaßnahme im europäischen Ausland ist lediglich ein entsprechender Antrag der geschützten Person unter Vorlage einer beweiskräftigen Kopie der nationalen Schutzmaßnahme sowie einer Bescheinigung durch die Ausstellungsbehörde im Ursprungsmitgliedstaat, in Deutschland das Familiengericht, welche die Schutzmaßnahme in einem mehrsprachigen Musterformular zusammenfasst. Unabhängig von einer Befristung der nationalen Schutzmaßnahme ist die Wirkung ihrer Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat auf ein Jahr nach der Ausstellung dieser Bescheinigung begrenzt.

Die Europäische Gewaltschutzverordnung gilt jedoch nur für Schutzmaßnahmen, die seit dem 11. Januar 2015 erlassen wurden, sodass die von Ihnen im Dezember 2014 in Deutschland erwirkte einstweilige Anordnung in Portugal nicht durchgesetzt werden kann. Falls Sie allerdings beim Familiengericht in Deutschland eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren erwirken könnten, befänden Sie sich mit einer solchen Entscheidung im zeitlichen Anwendungsbereich der Europäischen Gewaltschutzverordnung.



Eingestellt am 30.09.2015 von S.Gress
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