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Die Europäische Unterhaltsverordnung
Ich habe nach unserer Trennung bei dem zuständigen deutschen Amtsgericht einen Antrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen meinen Ehemann gestellt.
Mein Ehemann hat gleich nach seiner Rückkehr nach Portugal bei dem portugiesischen Familiengericht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort einen Scheidungsantrag sowie einen Antrag auf Feststellung gestellt, dass er mir keinen nachehelichen Unterhalt schulde. In dem von mir vor dem deutschen Gericht eingeleitetenVerfahren wegen Trennungsunterhalt lässt er die Zuständigkeit dieses Gerichts bestreiten. Kann er damit Erfolg haben?
Diese Verordnung findet Anwendung auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen.
Nach Artikel 3 EuUntVO ist u.a. das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder das Gericht des Ortes, an dem die unterhaltsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, für Entscheidungen in Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten zuständig.
Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist dort gegeben, wo die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthaltes sowie andere Umstände persönlicher und beruflicher Natur die dauerhafte Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Er wird durch ein tatsächliches längeres und nicht nur vorübergehendes Verweilen begründet und zwar dort, wo der Schwerpunkt der sozialen Kontakte, der so genannte Daseinsmittelpunkt zu suchen ist, insbesondere in familiärer und beruflicher Hinsicht.
Der Unterhaltsberechtigte hat danach für Unterhaltsanträge ein Wahlrecht, ob er in seinem Heimatstaat oder im Staat des Unterhaltspflichtigen ein Unterhatsverfahren einleitet. Da Sie in Deutschland Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, konnten Sie bei dem am Ort Ihres gewöhnlichen Aufenthalts zuständigen Gericht den Antrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt stellen.
Gemäß Artikel 15 EuUntVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht nach dem Haager Protokoll vom 23. November 2007 (HPU).
Nach Artikel 3 Absatz 1 HPU ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, in Ihrem Falle somit deutsches Unterhaltsrecht. Dies würde auch dann gelten, wenn Sie Ihren Ehemann bei dem Gericht des Ortes seines gewöhnlichen Aufenthalts, also bei dem Gericht in Portugal, verklagen würden.
Nach Artikel 3 Absatz 2 HPU kann der Unterhaltsberechtigte das anzuwendende Recht durch einen Wechsel des Aufenhalts beeinflussen, da vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden ist, auch während eines laufenden Unterhaltsverfahrens.
Gemäss Artikel 4 EuUntVO können die Eheleute jedoch Gerichtsstandsvereinbarungen zur Beilegung von zwischen ihnen bereits entstandenen oder künftig entstehenden Streitigkeiten betreffend Unterhaltspflichten treffen.
Ebenso können sie nach Artikel 8 HPU das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen.
Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung und Rechtswahl, die beispielsweise in einem Ehevertrag getroffen werden können, dient der Rechtssicherheit und verhindert das sogenannte „forum shopping“, worunter man den Versuch versteht, unter mehreren international zur Verfügung stehenden Gerichtsständen den für die Partei günstigen Gerichtsstand auszuwählen.
Von „forum running“ hingegen spricht man, wenn eine der Parteien eine Gerichtszuständigkeit auswählt, um der Gegenpartei bei der Wahl des Gerichtsstands zeitlich zuvorzukommen. Dies versuchte Ihr Ehemann, als er gleich nach seiner Rückkehr nach Portugal bei einem portugiesischen Familiengericht ein Scheidungsverfahren und ein Feststellungsverfahren, dass er Ihnen keinen nachehelichen Unterhalt schulde, eingeleitet hat.
Ihr Ehegatte behauptet, sein Scheidungs- und Unterhaltsverfahren bei dem portugiesischen Gericht zuerst eingeleitet zu haben.
Nach Artikel 12 Absatz 1 EuUntVO muss das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen ausetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht wurden. Da es sich bei Trennungsunterhalt und bei nachehelichem Unterhalt jedoch um zwei rechtlich verschiedene Ansprüche handelt, kommt in Ihrem Fall eine Aussetzung des Verfahrens vor dem deutschen Gericht wegen doppelter Anhängigkeit nicht in Betracht.
Im Übrigen ist das portugiesische Gericht für das Scheidungsverfahren und das damit verbundene nacheheliche Unterhaltsverfahren nur dann zuständig, wenn Ihr Ehemann in Portugal seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und er sich dort bereits seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat. Sollten diese zeitlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, so können Sie die Unzuständigkeit des portugiesischen Familiengerichts rügen.
Eingestellt am 10.04.2023 von S.Gress
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