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Die Erbengemeinschaft nach deutschem Recht
Meine Schwester und ich bilden eine Erbengemeinschaft mit unserer Stiefmutter, der zweiten Ehefrau unseres verstorbenen Vaters. Unser Vater hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weshalb deutsches Erbrecht auf seinen Nachlass anzuwenden ist. Da er mit seiner zweiten Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte und kein Testament hinterlassen hat, erbte unserer Stiefmutter einhalb des Nachlasses und wir jeweils ein Viertel.
Im Nachlass unseres Vaters ist ein Zweifamilienhaus in Deutschland enthalten, von dem unsere Stiefmutter die eine Wohnung bewohnt, die andere Wohnung ist vermietet. Weiterhin befindet sich im Nachlass ein Ferienhaus an der Algarve sowie Bankkonten und ein Depot, von denen unser Vater Alleininhaber war sowie ein gemeinschaftliches Konto mit seiner zweiten Ehefrau.
Es gibt zwischen uns drei Erben kaum eine Frage, über die Einigkeit besteht. Es war bereits schwierig für mich und meine Schwester, Kenntnis über den Umfang des Nachlasses zu erlangen, da sich sämtliche Unterlagen in der gemeisamen ehelichen Wohnung unseres Vaters und seiner zweiten Ehefrau befanden und diese uns keinen Zutritt zu der Wohnung gewähren wollte.
Auch darüber, was mit dem Nachlass, insbesondere mit den Immobilien künftig geschehen soll, bestehen unterschiedliche Vorstellungen.
Welche Rechte habe ich innerhalb der Erbengemeinschaft?
Eine Erbengemeinschaft besteht immer dann, wenn der Nachlass an mehrere Personen, die Miterben, geht. Die Miterben müssen sich über die Verwaltung des Nachlasses und über die Verteilung des Nachlasses einig werden, da ein Miterbe allein zu eigenmächtigen Verfügungen über den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände grundsätzlich nicht berechtigt ist.
Gemäss § 2032 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben, wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt.
Danach ist die Erbengemeinschaft eine sogenannte Gesamthandsgemeinschaft, eine Gemeinschaft von Personen, denen ein Vermögen gemeinschaftlich zusteht. Gemeinschaftlich heißt in diesem Falle, dass alles allen gemeinsam gehört; kein Nachlassgegenstand gehört einem Miterben alleine und kein Miterbe kann daher alleine über einzelne Nachlassgegenstände verfügen.
Mit dem Gesamthandsvermögen entsteht automatisch von Gesetzes wegen eine Gesamthandsgemeinschaft. Die beteiligten Personen sind Gesamthänder und können nur gemeinschaftlich über das Gesamthandsvermögen verfügen. Die Erbengemeinschaft ist daher auf Auflösung, nämlich auf die Erbauseinandersetzung gerichtet.
Häufiger als die Gesamthandsgemeinschaft ist in der Praxis die Miteigentümergemeinschaft, beispielsweise bei Immobilieneigentum, bei welcher jedem Miteigentümer ein ideeller Anteil - etwa einhalb - an der Immobilie zusteht, über den er frei verfügen kann, ohne die anderen Miteigentümer um Mitwirkung oder Zustimmung bitten zu müssen.
Die Miterben sind verpflichtet, den Nachlass bis zu dessen Teilung gemeinschaftlich zu verwalten. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, bei Maßnahmen mitzuwirken, die zur "ordnungsmäßigen Verwaltung" erforderlich sind. Die Miterben treten unmittelbar in die rechtliche Stellung des Erblassers ein und müssen seine Verträge, beispielsweise bestehende Mietverträge etc., fortführen. Weigert sich ein Miterbe, seine Zustimmung hierzu zu erteilen, so kann jeder andere Miterbe Klage bei Gericht einreichen.
Die Teilung der Erträge aus dem Nachlass, im vorliegenden Fall Mieteinnahmen, erfolgt erst bei der Erbauseinandersetzung. Ist die Erbauseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jeden Jahres die Aufteilung der Erträge verlangen
Wenn der Erblasser in einem Testament jedoch Testamentsvollstreckung angeordnet oder einen Nachlassverwalter eingesetzt hat, sind die Miterben von der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen.
Jeder Miterbe ist jedoch berechtigt über seinen Nachlassanteil als Ganzen zu verfügen. Den anderen Miterben steht dann ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. Dieser Vertrag, in dem ein Miterbe über seinen gesamten Anteil am Nachlass verfügt, bedarf der notariellen Beurkundung.
Ein Miterbe kann jedoch nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen, beispielsweise an seinem Anteil an einer Immobilie.
Jeder Miterbe kann gemäß § 2042 Absatz 1 BGB jederzeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangen. Insofern ist eine reale Teilung des Nachlasses entsprechend den Erbquoten gesetzlich vorgesehen. Einigen sich die Miterben jedoch nicht einvernehmlich über die Art und Weise der Auseinandersetzung, so können die Nachlassgegenstände öffentlich versteigert werden. Der Erlös wird dann nach der Befriedigung der Nachlassgläubiger an die Miterben entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote ausgezahlt.
Erst durch die vollständige Auseinandersetzung wird die Erbengemeinschaft aufgelöst. Dies ist dann der Fall, wenn die Aufteilung des Nachlasses unter den Miterben vollständig abgeschlossen ist.
Bei der einvernehmlichen Erbauseinandersetzung durch Teilung des Nachlasses treffen die Miterben zunächst eine Vereinbarung über die Auseinandersetzung, den sogenannten Auseinandersetzungsvertrag. Beim Abschluss des Auseinandersetzungsvertrags sind die Erben vollkommen frei, wie sie den Nachlass verteilen wollen.
Eine Erbengemeinschaft führt leider häufig zu langjährigen Auseinandersetzungen und kostspieligen Gerichtsverfahren sowie zur Teilungsversteigerung von Nachlassgegenständen, was in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten liegt. Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sollten daher versuchen, die Möglichkeiten einer einvernehmliche Erbauseinandersetzung zu nutzen.
Eingestellt am 04.04.2020 von S.Gress
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