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Das elterliche Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern in Portugal und Deutschland

Leseranfrage:

Ich bin Vater eines sechsjährigen Sohnes und mit der Mutter unseres gemeinsamen Kindes nicht verheiratet. Unser Sohn ist im Jahre 2008 in Portugal geboren und hier aufgewachsen bis die Mutter mit unserem Sohn im Jahre 2010 nach Deutschland gezogen ist. Nach der Geburt unsers Kindes habe ich die Vaterschaft anerkannt und wir hatten entsprechend dem portugiesischen Recht das gemeinsame Sorgerecht für unseren Sohn. Nachdem die Mutter mit dem Kind im Jahre 2010 nach Deutschland gezogen war, teilte sie mir mit, dass sie nun entsprechend dem deutschen Recht das alleinige Sorgerecht für unseren Sohn ausübe und alle Fragen unseren Sohn betreffend alleine entscheiden könne. Ich habe habe nun erfahren, dass in Deutschland im vergangenen Jahr das Gesetz geändert wurde und nun auch dort nicht miteinander verheirateten Eltern das gemeinsame Sorgerecht zusteht. Ist das richtig?

Antwort:

Das Recht der elterlichen Sorge richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Staatsangehörigkeit des Kindes und der Eltern spielt dabei keine Rolle.

In Portugal üben auch nicht miteinander verheiratete Eltern grundsätzlich kraft Gesetzes das Sorgerecht (responsabilidades parentais) für ihr gemeinschaftliches Kind gemeinsam aus. Die elterliche Sorge umfasst nach portugiesischem Recht wie nach deutschem Recht die Personen- und Vermögenssorge. Gemäß Art. 1874 des Código Civil (CC) schulden Eltern und Kind einander gegenseitigen Respekt, Hilfe und Beistand. Den Eltern obliegt nach dem CC die Pflicht, ihr Kind zu schützen, es zu erziehen sowie für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und es zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten. Die Eltern haben die elterliche Sorge im gemeinsamen Einvernehmen auszuüben. Können sich die Eltern in einer wichtigen Frage jedoch nicht einigen, so kann jeder Elternteil das Familien- und Jugendgericht anrufen und eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen.
Einem Elternteil kann die elterliche Sorge durch Gerichtsentscheidung entzogen werden, wenn er seinen Sorgepflichten nicht nachkommt.

Es ist richtig, dass in Deutschland am 19. Mai 2013 das „Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern“ in Kraft getreten ist.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht u.a. die Regelung des § 1626 a des Bürgerlichen Gesetzbuches für verfassungswidrig; nach dieser Bestimmung stand die elterliche Sorge für ein Kind nicht miteinander verheirateter Eltern zunächst der Mutter zu. Der Vater konnte die gemeinsame Sorge nach dieser Vorschrift nur dann erhalten, wenn er entweder die Mutter heiratete oder wenn beide Eltern übereinstimmend erklärten, dass sie die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen wollten. Der Vater konnte also die gemeinsame Sorge nicht gegen den Willen der Mutter erlangen. Bereits mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Dezember 2009 wurde festgestellt, dass diese Regelung einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention darstellt.

Mit dem neuen Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber dem Vater die elterliche Mitsorge jedoch nicht kraft Gesetzes mit der Anerkennung der Vaterschaft wie in Portugal und einigen anderen europäischen Staaten zuerkannt, sondern nach der neuen Gesetzeslage muss ein Antrag beim Familiengericht auf Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts gestellt werden. Das Gericht überträgt die gemeinsame Sorge sodann, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. So haben die Gerichte, z. B. das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 9. Dezember 2013, festgestellt, dass sich aus der Neuregelung des § 1626 a Absatz 2 BGB ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge ergäbe. Der Antrag des bisher nicht sorgeberechtigten Vaters, ihm das Mitsorgerecht zu übertragen, könne daher nur abgewiesen werden, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt werden könne, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde. Es erfolgt somit keine positive, sondern eine negative Kindeswohlprüfung, wodurch die Rechte des Vaters gegenüber der früheren Rechtslage erheblich gestärkt werden.

Nach der neuen Rechslage in Deutschland steht dem nicht verheirateten Vater die Mitsorge also nicht automatisch kraft Gesetzes wie in Portugal zu, sondern er muss beim Familiengericht einen Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge stellen.



Eingestellt am 04.08.2014 von S.Gress
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