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Wichtige Reformen im portugiesischen Recht in den letzten 25 Jahren

Der folgende kleine Streifzug durch die vergangenen 25 Jahre der portugiesischen Rechtsgeschichte erhebt nicht den Anspruch, sämtliche wichtigen Gesetze zu erfassen, sondern greift lediglich einige herausragende Gesetzesreformen auf, die die Leserschaft der ESA interessieren wird.

Verfassungsrecht

Die Verfassung Portugals wurde zwei Jahre nach der Nelkenrevolution am 2. April 1976 im Parlament verabschiedet. Sie ist durch die Prinzipien einer demokratischen Grundordnung und durch die Erfahrungen mit der Diktatur unter Salazar und Caetano im Estado Novo geprägt und orientiert sich in Inhalt und Aufbau am deutschen Grundgesetz.

Die Verfassung enthält derzeit 296 Artikel. Änderungen an der portugiesischen Verfassung erfolgten in den Jahren 1982, 1989, 1992, 1997, 2001, 2004 und 2005.
Die portugiesische Verfassung von 1976 in ihrer ursprünglichen Fassung war deutlich von den sozialrevolutionären Gedanken der Nelkenrevolution geprägt. Dieser politisch-dogmatische Charakter wurde durch die zweite Verfassungsrevision von 1989 beseitigt. Die Zielsetzung einer klassenlosen Gesellschaft und des Übergangs zum Sozialismus wurde durch die Verwirklichung einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Demokratie ersetzt.

Eine weitere wichtige Veränderung ergab sich auch bezüglich der Wirtschaftsverfassung durch den Übergang zur sozialen Marktwirtschaft, was sich beispielsweise in der Abschaffung des Prinzips der Unwiderruflichkeit der Verstaatlichungen und der Beendigung des staatlichen Fernsehmonopols zeigte.

Mit ganz anderer Zielsetzung als die Verfassungsrevision von 1989 erfolgte die dritte Verfassungsrevision von 1992, die lediglich darauf abziehlte, die Ratifizierung des Maastricher Vertrags der Europäischen Union durch Portugal zu ermöglichen. Wie in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft mußten die Einschränkungen der Souveränität des portugiesischen Staates mit der Verfassung in Einklang gebracht werden. So wurde in Artikel 7, 6. Absatz, der Verfassung festgelegt, daß Portugal unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit und unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität, im Hinblick auf die Verwirklichung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts des Staates, Verträge und Abkommen über die gemeinsame Ausübung der zum Aufbau der Europäischen Union erforderlichen Gewalten abschließen darf.

Familienrecht

Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, der „ união de facto“, ist in Portugal durch das Gesetz Nr. 7/2001 vom 11.Mai 2001 geregelt worden. Es gilt sowohl für verschiedengeschlechtliche als auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird, wie der portugiesische Rechtsbegriff „ união de facto“ schon sagt, lediglich durch faktisches Zusammenleben begründet. Es genügt das tatsächliche Zusammenleben zweier Personen für die Dauer von mindetens zwei Jahren. Ein formaler Akt zur Begründung der Lebensgemeinschaft ist nicht vorgesehen.

Das portugiesische Recht gewährt den Partnern einer nichtehelichen faktischen Lebensgemeinschagt wenig einklagbare zivilrechtliche Ansprüche. Weitgehendere Ansprüche als im Zivilrecht, nämlich bestimmte Gleichstellungen mit Ehegatten, gewährt das Gesetzes der faktischen Lebensgemeinschaft im öffentlich-rechtlichen Bereich, so im Arbeits- und Beamtenrecht sowie im Renten- und Einkommensteuerrecht; die Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt ebenfalls für Lebenspartner.

Im Jahre 2008 ist durch das Gesetz Nr. 61/2008 vom 31. Oktober
das Scheidungsrecht geändert worden und im Jahre 2010 führte
der portugiesische Gesetzgeber die gleichgeschlechtliche Ehe ein.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 61/2008 vom 31. Oktober hat sich der
portugiesische Gesetzgeber dafür entschieden, im Scheidungsrecht das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen.

Das portugiesische Recht regelt die einvernehmliche Scheidung in zwei Formen sowie die (streitige) Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten.
Die einvernehmliche Scheidung mitsamt den Vereinbarungen über die
Scheidungsfolgesachen (Aufteilung des gemeinschaftlichen ehelichen Vermögens, elterliche Sorge über minderjährige Kinder, Ehegattenunterhalt, Nutzung der ehelichen Wohnung) können die Ehegatten bereits seit dem 1. Januar 2002 bei einem Standesamt ihrer Wahl durchführen.

Wünschen die Ehegatten die Scheidung, können sich aber nicht über
sämtliche Scheidungsfolgesachen einigen, so ist die Scheidungsklage bei dem zuständigen Familien- und Jugendgericht einzureichen. Für dieses Verfahren
besteht Anwaltszwang.

Nach dem neuen portugiesischen Recht ist, wie in Deutschland, nur noch die Zerrüttung der Ehe, unabhängig vom Verschulden eines Ehepartners Voraussetzung für die Scheidung.

Gemäß der neuen Regelung in Artikel 1773 Absatz 3 Codigo Civil (CC) kann die Scheidung ohne Zustimmung des einen Ehegatten von dem anderen beim Familiengericht mit einem der Gründe, die in Artikel 1781 CC angegeben sind, beantragt werden. Danach ist der wichtigste Grund für die Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten nunmehr nur noch die einjährige ununterbrochene Trennung.

Das Gesetz Nr. 9/2010 vom 31. Mai 2010 erlaubt in Portugal die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts.

Das vorgenannte Gesetz ist äußerst kurz; es besteht lediglich aus fünf Artikeln.
Im Wesentlichen wurde Artikel 1577 (Begriff der Ehe) des portugiesischen Zivilgesetzbuches (CC) „Ehe ist der zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts, die mittels einer vollen Lebensgemeinschaft entsprechend den Bestimmungen dieses Gesetzes eine Familie gründen wollen, geschlossene Vertrag“ lediglich dahingehend geändert, dass die Worte „verschiedenen Geschlechts“ gestrichen wurden.

Nach portugiesischem Recht ist die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts
der herkömmlichen Ehe in jeder Hinsicht völlig gleichgestellt mit Ausnahme der Tatsache, dass die Adoption von Kindern durch ein gleichgeschlechtliches Ehepaar gemäß Artikel 3 des Gesetzes Nr. 9/2010 vom 31. Mai 2010 nicht möglich ist. Bis 1992 war Homosexualität in Portugal strafbar.

Das neue Gesetz Nr. 25/2012 vom 16. Juli regelt Patientenverfügungen, insbesondere in der Form des Patiententestaments (testamento vital) sowie die Bestellung von Patientenbevollmächtigten und begründet das Nationale Register für Patiententestamente (RENTEV); es ist am 16. August 2012 in Kraft getreten.

Das Nationale Register für Patiententestamente (RENTEV) existiert noch nicht. Es soll zu dem Zweck begründet werden, die Urkunden von Patientenverfügungen und Patientenvollmachten sowie die Informationen hierzu entgegenzunehmen, zu registrieren, zu verwalten und auf dem neuesten Stand zu halten. Nicht im RENTEV registrierte Patientenverfügungen sind auch wirksam, sofern sie nach den Bestimmungen des Gesetzes errichtet wurden. Das RENTEV soll somit lediglich die Möglichkeit einer zentralen Registrierung von Patiententestamenten und Patientenvollmachten bieten.

Steuerrecht

Nach weitreichenden Reformen im Steuerrecht im Jahre 2003 ist das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz entfallen. An dessen Stelle ist teilweise das sogenannte Stempelsteuergesetz getreten. Erbschaft- und Schenkungsteuer sind in Portugal seit dem 1. Januar 2004 u.a. zwischen Verwandten in gerader Linie und Ehegatten abgeschafft worden.

Der Steuersatz für nicht steuerbefreite Schenkungen und Erbschaften, also beispielsweise zwischen Geschwistern, beträgt derzeit 10%. Insoweit gilt nach dem portugiesischen Recht das Territorialitätsprinzip, d.h. es werden lediglich unentgeltliche Übertragungsvorgänge der Besteuerung unterworfen, die sich auf Güter beziehen, die in Portugal belegen oder registriert sind.

Am 1. Dezember 2003 ist das neue Grundsteuergesetz in Kraft getreten, welches
die Koeffizienten für die Berechnung des Einheitswertes von bebauten Immobilien enthält und bestimmt, dass bis Ende 2013 bezüglich aller bebauten Immobilien eine Neubewertung durchgeführt werden muss, d.h. dass der Einheitswert der Immobilie, welcher Grundlage für die Festsetzung der jährlich zu zahlenden Grundsteuer ist, neu berechnet werden muss. Derzeit wird die Neubewertung von Immobilien, deren Einheitswert noch nicht auf der Grundlage des Gesetzes von 2003 festgestellt wurde, von Amts wegen durchgeführt.

Mietrecht

Das Gesetz Nr. 31/2012 vom 14.08.2012 hat zu weitreichenden Änderungen im Mietrecht geführt und soll den Vertragsparteien größere vertragliche Gestaltungsfreiheit gewähren und das nach Auffassung des Gesetzgebers bisher bestehende Ungleichgewicht zugunsten des Mieters beseitigen.
Insbesondere wurden Kündigungen durch den Vermieter aus außerordentlichem Grund erleichtert. Bereits ein Rückstand mit mindestens zwei Monatsmieten oder ein Zahlungsverzug von mehr als 8 Tagen öfter als vier Mal im Jahr berechtigen den Vermieter nach dem neuen Recht beispielsweise zur Kündigung.
Der Mieter seinerseits hat nunmehr das Recht zur außerordentlichen Kündigung, wenn der Vermieter ihm obliegende Renovierungsarbeiten nicht durchführt, die die vertragsgemäße Nutzbarkeit der Wohnung beeinträchtigen.
Mietverträge über Wohnraum sind nunmehr, unabhängig von der Vertragsdauer, schriftlich abzuschließen. Falls über die Mietdauer keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde, gilt der Mietvertrag auf zwei Jahre geschlossen;
Des Weiteren wurde eine besondere, beschleunigte Räumungsklage eingeführt sowie die Möglichkeit, Altverträge zu aktualisieren.
Hier endet der kleine Streifzug durch die portugiesische Rechtsgeschichte der letzten 25 Jahre. Ich werde in Zukunft wie bisher regelmäßig über die aktuellen Änderungen und Neuerungen im portugiesischen Recht berichten sowie auch weiterhin gerne Ihre individuellen Leseranfragen beantworten.



Eingestellt am 30.01.2014 von S.Gress
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