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Die Wirksamkeit von Erbverträgen nach der Europäischen Erbrechtsverordnung

Leseranfrage:

Mein Ehemann und ich haben vor zwölf Jahren mit unserer Tochter und unseren beiden Söhnen in Deutschland einen notariellen Erbvertrag geschlossen, in dem die Aufteilung unseres Vermögens auf unsere Kinder genau geregelt ist. Der Erbvertrag ist inhaltlich am deutschen Erbrecht ausgerichtet, so ist beispielsweise Vor- und Nacherbschaft angeordnet. Da wir damals alle in Deutschland lebten, haben wir keine Rechtswahl in dem Erbvertrag getroffen. Zwischenzeitlich sind mein Ehemann und ich sowie einer unserer Söhne nach Portugal gezogen. Unsere Tochter lebt in Deutschland und unser anderer Sohn lebt zur Zeit in England.
Beeinflußt das neue europäische Erbrecht, wonach das anwendbare Recht künftig an den letzten Wohnsitz des Erblassers anknüpft, auch unseren bestehenden Erbvertrag?

Antwort:

Am 16.08.2012 ist die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 (ErbVO) in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark in Kraft getreten. Sie gilt in ihren wesentlichen Teilen ab dem 17. August 2015 (siehe ESA 04/14, S. 43, „Welches Erbrecht gilt aufgrund der neuen EU-Erbrechtsverordnung?“). Die Europäische Erbrechtsverordnung knüpft für das anwendbare Recht nicht wie bisher im deutschen und portugiesischen Recht primär an die Staatsangehörigkeit und das Heimatrecht, sondern an den letzten Wohnsitz des Verstorbenen oder an die von ihm getroffene Rechtswahl an.

Grundsätzlich unterliegt nun die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen gemäß Artikel 21 Absatz 1 ErbVO dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hierbei handelt es sich um das sog. Erbstatut, die inhaltlichen Regelungen des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, einschließlich der Pflichtteils- und Noterbrechte.

Artikel 22 ErbVO ermöglicht die Wahl des Erbrechtes der eigenen Staatsangehörigkeit. Der Erblasser muss die Staatsangehörigkeit des Staates, dessen Recht er gewählt hat, entweder im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes besitzen.
Da Sie, Ihr Ehemann und Ihre beiden Söhne den gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt haben, sollten Sie eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts treffen.
Die ErbVO regelt in Artikel 25 auch ausdrücklich die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung eines Erbvertrags gesondert vom jeweils anwendbaren Erbstatut.

Die Zulässigkeit betrifft die Frage, ob eine derartige Verfügung generell möglich
oder verboten und ob sie überhaupt statthaft ist. In vielen europäischen Staaten ist beispielsweise ein Erbvertrag nicht zulässig. In Artikel 26 ErbVO sind Beispiele aufgeführt, welche zur materiellen Wirksamkeit zu rechnen sind, z.B. die Testierfähigkeit des Erblassers oder die Auslegung der Verfügung.

Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung richten sich nach dem sog. Errichtungsstatut, das hypothetisch auf den Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bezogen ist: Der Tod des Erblassers am Tag, an dem der Erbvertrag geschlossen wurde, wird fingiert, und aufgrund dieser Hypothese das anwendbare Recht nach der Europäischen Erbrechtsverordnung ermittelt.

Das bedeutet in Ihrem Fall, dass insoweit deutsches Erbrecht gilt, da alle an dem Erbvertrag Beteiligte zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

Grund für diese Sonderanknüpfung von Zulässigkeit, materieller Wirksamkeit und Bindungswirkung an ein eigenes Errichtungsstatut ist die Wandelbarkeit des Erbstatuts durch den Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes. Eine einmal wirksam errichtete Verfügung von Todes wegen soll nicht wegen eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts unwirksam werden. Das Errichtungsstatut bleibt daher aus Gründen der Rechtssicherheit unverändert.

Die Regelungen des Artikel 25 ErbVO betreffen immer nur das Errichtungsstatut, nicht das Erbstatut. Wenn also ein deutscher Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einen Erbvertrag schließt, er aber später mit gewöhnlichem Aufenthalt in Portugal stirbt, bleibt der Erbvertrag zulässig, wirksam und bindend, es gelten aber die aus dem dann anwendbaren portugiesischen Erbstatut sich ergebenden Noterbrechte.

Die Formgültigkeit des Erbvertrages ist in Artikel 27 ErbVO geregelt. Der von Ihrer Familie geschlossene Erbvertrag ist wirksam, weil er dem Recht des Staates entspricht, in dem er geschlossen wurde und darüber hinaus, weil er dem Recht des Staates entspricht, dem mindestens eine Person, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch den Erbvertrag betroffen ist, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags angehörte oder dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte.



Eingestellt am 30.09.2015 von S.Gress
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