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Der digitale Nachlass

Leseranfrage:
Ich bin zur Zeit dabei, meinen Nachlass zu regeln. Da mein erster Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland liegt, ist auf meinen Nachlass deutsches Recht anwendbar. Ich beabsichtige daher, ein Testament nach deutschem Recht zu verfassen. Da ich das Internet sowohl beruflich als auch privat umfangreich nutze, stellt sich die Frage, was nach meinem Ableben mit meinen digitalen Daten, meinen Rechten an Websites, meinen Vertragsbeziehungen zu Host-, Access- oder E-Mail-Providern sowie zu Anbietern sozialer Netzwerke oder virtuellen Konten geschieht.

Antwort:
Alle im Internet übermittelten und gespeicherten Daten verbleiben nach dem Tod eines Kunden oder Users bei dem jeweiligen Anbieter. Ein Erblasser hinterlässt im 21. Jahrhundert neben den herkömmlichen Vermögenswerten und Rechtspositionen ein digitales Vermögen. Hierzu zählen auch Eigentumsrechte des Verstorbenen an Hardware, Nutzungsrechte an der Software, Urheberrechte und Rechte an hinterlegten Bildern, Foreneinträgen und Blogs. Diese Nachlassgegenstände werden heute unter dem Begriff des „digitalen Nachlasses“ zusammengefasst.

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hat diesen Begriff definiert als „die Gesamtheit des digitalen Vermögens, also Urheberrechte, Rechte an Websites, Domains sowie Vertragsbeziehungen zwischen Providern und dem Erblasser hinsichtlich der Nutzung des Internets selbst, aber auch hinsichtlich diverser Internetangebote, beispielsweise Verträge über Zugang zu sozialen Netzwerken, E-mail-Dienste, Internetportale etc., und erfasst damit auch die Gesamtheit aller Accounts und Daten des Erblassers im Internet“.
Rechtlich handelt es sich beim digitalen Nachlass um eine Vielzahl von Rechtspositionen. Diese unterliegen wie die herkömmlichen Rechtspositionen nach deutschem Erbrecht der Universalsukzession oder Gesamtrechtsnachfolge des § 1922 des Bürgelichen Gesetzbuches (BGB), wonach mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) übergeht. Es gilt der Grundsatz der „Nachlasseinheit“.
Umstritten ist jedoch, welche Positionen des digitalen Nachlasses vererblich sind. Bisher ergangene unterinstanzliche Gerichtsentscheidungen sowie Teile der Literatur befürworten die Vererblichkeit des digitalen Nachlasses, soweit dieser einen Vermögenswert hat.
Entsprechend der gesetzlichen Bestimmung des § 1922 BGB sind sämtliche vermögenswerten Rechte und Rechtspositionen einschließlich der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vererblich,
nicht jedoch höchstpersönliche Rechte ohne Vermögenswert.

Die Erben haben ein berechtigtes Interesse daran, Zugang zu den Daten des Erblassers zu erhalten, da sie gemäss § 1967 BGB die Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung und Nachlassabwicklung trifft. Insoweit steht das Erbrecht jedoch derzeit mit Fernmeldegeheimnis in Konflikt.
So hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 31.05.2017 in zweiter Instanz zu Gunsten von Facebook entschieden und die Klage einer Mutter, die den Zugang zu dem Facebook-Account ihres verstorbenen Kindes zusammen mit dem Kindesvater aus Erbrecht durchsetzen wollte, abgewiesen und damit zugleich das Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehe dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.

Das Kammergericht hat des Weiteren geprüft, ob zu Gunsten der Mutter außerhalb des Erbrechts ein Anspruch auf Zugang zu dem Facebook-Account bestehe. Dies sei zu verneinen. Insbesondere das Recht der elterlichen Sorge verhelfe nicht zu einem solchen Anspruch. Dieses Recht erlösche mit dem Tode des Kindes. Das den Eltern noch zufallende Totenfürsorgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Social-Media-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten.

Im Rahmen des 71. Deutschen Juristentags sprach sich der Deutsche Anwaltverein beim Thema digitaler Nachlass für eine klarstellende Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses zugunsten des Erbrechts aus. Konkret schlägt der DAV eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes vor, wonach die Grundsätze des Erbrechts uneingeschränkt auch auf den digitalen Nachlass angewendet werden können.
„Mit der aktuellen Gesetzeslage könnten wesentliche Prinzipien des Erbrechts mit dem Fernmeldegeheimnis in Konflikt stehen“, sagt DAV-Präsident, Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg. Die Rechtslage sei hier alles andere als eindeutig, was zu großen Problemen in der Praxis führte: Einerseits verpflichte das Erbrecht den Provider, E-Mails an Erben herauszugeben, andererseits könnte das Fernmeldegeheimnis dem Provider verbieten, die E-Mails herauszugeben, erklärt Schellenberg.
Der DAV spricht sich für eine ausdrückliche Regelung aus, nach der Erben auch auf E-Mails und andere Kommunikationsinhalte der Verstorbenen zugreifen können, ohne dass das Fernmeldegeheimnis anderer Personen diesem Zugriff entgegengehalten werden kann.
In letztwilligen Verfügungen oder Vorsorgevollmachten "über den Tod hinaus" kann ein Erbe bzw. eine Vertrauensperson zum digitalen Nachlassverwalter eingesetzt werden. Die Vollmacht in der festgelegt wird, dass sich eine Person um den digitalen Nachlass kümmern soll, sollte detailliert regeln, wie mit Ihrem digitalen Nachlass umgegangen werden soll, z.B. welche Daten gelöscht werden sollen, wie die Vertrauensperson mit dem Account in einem sozialen Netzwerk umgehen und was mit im Netz vorhandenen Fotos passieren soll. Es kann auch festgelegt werden, was mit den Endgeräten und den dort gespeicherten Daten geschehen soll. Es ist ratsam, eine gut gesicherte Übersicht aller Accounts mit Benutzernamen und Kennworten anzufertigen.

Es gibt auch Firmen, die eine kommerzielle Verwaltung des digitalen Nachlasses anbieten. Hier sollte man jedoch besonders auf die Sicherheit der Daten und den genauen angebotenen Leistungsumfang achten.



Eingestellt am 28.03.2020 von S.Gress
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