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Das Europäische Nachlasszeugnis

Leseranfrage:

Mein Ehemann ist kürzlich in Portugal verstorben und hat Vermögen in Deutschland und in Portugal hinterlassen. Durch sein Testament, in welchem er für seinen gesamten Nachlass deutsches Erbrecht gewählt hat, bin ich neben unseren beiden Kindern zur Hälfte als Erbin eingesetzt. Mir wurde nun geraten, anstatt eines Erbscheins nach deutschem Recht oder nach portugiesischem Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen. Ist das ratsam?
Antwort:

Die Möglichkeit, ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen, besteht gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark für Erbfälle, die nach dem 16.08.2015 eingetreten sind. Der Erblasser muss also nach dem 16.08.2015 verstorben sein. Die Erbrechtsverordnung ermöglicht die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das in allen Mitgliedsstaaten als Nachweis der Rechtsstellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer dient und als Nachweis der Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter anerkannt wird.

Mit der Europäischen Erbrechtsverordnung sollte das Erbrecht innerhalb der EU weiter vereinheitlicht werden. Wesentliche Änderungen betreffen das in einem Erbfall anzuwendende Recht (siehe ESA 04/2014, S.43), die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses.
Mit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung und ihrer Umsetzung in das jeweilige nationale Recht existiert in Form des Europäischen Nachlasszeugnisses damit nun ein neues Instrument für Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter, um in einem anderen europäischen Mitgliedstaat im Rechtsverkehr ihre Rechtsstellung nachweisen zu können. Die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle soll damit vereinfacht werden.
Das Europäische Nachlasszeugnis verdrängt jedoch nicht den nationalen Erbschein nach deutschem oder portugiesischem Recht.
Für Erbfälle, die sich allein im Inland abspielen und die keinen Bezug zum Ausland haben, verbleibt es für die Erben wie bisher dabei, dass sie im Regelfall bei der zuständigen nationalen Ausstellungsbehörde einen Erbschein nach nationalem Recht beantragen müssen. Soweit ein Erbfall jedoch wie im vorliegenden Fall das europäische Ausland betrifft, sei es weil sich Nachlassvermögen im Ausland befinden oder der Erblasser im Ausland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wird das Europäische Nachlasszeugnis zukünftig anstelle des jeweiligen nationalen Erbscheins eine wichtige Rolle spielen.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist nur auf Antrag zu erteilen und auch nur dann, wenn es im europäischen Bereich grenzüberschreitend benötigt wird.

Antragsberechtigt sind neben dem Erben der Testamentsvollstrecker und der Nachlassverwalter. Vermächtnisnehmer haben nur dann ein eigenes Antragsrecht, wenn sie eine unmittelbare Berechtigung am Nachlass haben. In welchem Fall eine solche unmittelbare Berechtigung am Nachlass gegeben ist, ist unter Berücksichtigung des jeweils anwendbaren nationalen Erbrechts zu ermitteln. Rein schuldrechtliche Vermächtnisse, wie im deutschen Erbrecht ausschließlich vorgesehen, gewähren keine Antragsberechtigung. Nach deutschem Erbrecht hat der bedachte Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten, in der Regel den Erben, auf Erfüllung seines Vermächtnisses. Im portugiesischen Erbrecht wird der Bedachte unmittelbar bereits mit dem Erbfall Eigentümer der vermachten Sache und hat daher ein eigenes Antragsrecht auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

Grundsätzlich ist der Mitgliedstaat für die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses international zuständig, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seiner Staatsangehörigkeit wie vorliegend getroffen, so ist auch der Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen zuständig, dessen Recht der Erblasser gewählt hat.

Der Antragsteller kann für seinen Antrag ein von den Behörden entwickeltes und im Internet verfügbares Antragsformular benutzen. Die Erstellung von Formblättern ist bei der Beteiligung von 25 Mitgliedstaaten mit jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen keine einfache Aufgabe. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Formblätter umfangreich und mit allen erdenklichen Fragestellungen befrachtet sind. Der Antrag auf Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses muss jedoch nicht per Formblatt gestellt werden. Man wird jedoch davon ausgehen können, dass der Antrag in der Praxis regelmäßig nur unter Zuziehung eines Beraters gestellt werden wird.

Um Mißbrauch zu vermeiden, ist das europäische Nachlasszeugnis nur sechs Monate gültig. Eine solche Befristung erscheint nicht sachgemäß, da die Abwicklung von grenzüberschreitenden Nachlässen in der Regel nicht innerhalb dieses Zeitraums erfolgen kann.

In Portugal ist die Liste der zuständigen Ausstellungsbehörden, der Conservatórias und Notariatskanzleien, bereits im Internet verfügbar. Allerdings bereiten sich diese Behörden in der Praxis zur Zeit erst auf die Vorgehensweise vor, weshalb das Europäisches Nachlasszeugnis in Portugal bei den meisten Ausstellungsbehörden erst in einiger Zeit tatsächlich beantragt werden kann.



Eingestellt am 04.06.2019 von S.Gress
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