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Beeinträchtigende Schenkungen im Erbrecht

Leseranfrage:
Meine Eltern, beide deutsche Staatsangehörige, haben sich in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament nach deutschem Recht im Jahre 1997 wechselseitig zu Alleinerben und mich und meine Schwester zu Schlusseben nach dem zuletzt Versterbenden zu geichen Teilen eingesetzt. Nach dem Tode meines Vaters im Jahre 2001 übertrug meine Mutter meiner Schwester im Jahre 2003 mit einen notariellen Übergabevertrag ihr mit einem Haus bebautes Grundstück an der Algarve unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs. In dem Schenkungsvertrag übernimmt meine Schwester eine Pflegeverpflichtung für den Fall, dass meine Mutter pflegebedüftig werden sollte. Meine Mutter bewohnte das Haus bis zu ihrem Tode im Dezember 2015 und war nur einen Monat vor ihrem Tod pflegebedürftig; sie lebte und verstarb in Portugal. Meine Schwester verkaufte die Immobilie im vergangenen Jahr für € 300.000,00.
Ich fordere nun von meiner Schwester den Betrag in Höhe von € 150.000,00, da ich durch die Grundstücksschenkung benachteiligt wurde. Meine Schwester bestreitet meinen Anspruch. Weiterhin ist zwischen uns steitig, welches Recht auf den Nachlass meiner Mutter anzuwenden ist, portugiesisches oder deutsches Erbrecht.

Antwort:
Seit dem 17. August 2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung (ErbVO),
die für das anwendbare Recht in Erbfällen grundsätzlich an den letzten Wohnsitz des Verstorbenen oder an die von ihm getroffene Rechtswahl zugunsten seiner Staatsangehörigkeit anknüpft. Wurde keine Rechtswahl getroffen, so unterliegt für Erbfälle ab dem 17. August 2015 grundsätzlich die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

In Ihrem Fall kommt jedoch eine Ausnahmeregelung in den Übergangsbestimmungen des Art. 83 der ErbVO zur Anwendung. Dort wird in Absatz 4 Folgendes bestimmt: „Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht“.

Da Ihre Eltern im Jahre 1997 ein gemeinschaftliches Ehegattentestament nach deutschem Recht errichtet haben und sie als deutsche Staatsangehörige eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts hätten vornehmen können, gilt in Ihrem Fall ausnahmsweise deutsches Erbrecht, obwohl Ihre Eltern seinerzeit tatsächlich keine Rechtswahl getroffen haben und Ihre Mutter zuletzt Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal hatte.

Ihr Anspruch könnte gemäß § 2287 BGB begründet sein, wo in Absatz 1 bestimmt wird: „Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.“
Diese Bestimmung des § 2287 BGB gilt zwar in erster Linie für den Erbvertrag, ist jedoch nach der Rechtsprechung auch auf gemeinschaftliche Ehegattentestamente entsprechend anzuwenden. Der überlebende Ehegatte versucht nämlich häufig, die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung des Ehegattentestaments dadurch zu unterlaufen, indem er seinen späteren Nachlass durch lebzeitige Schenkungen schmälert und dieses Vermögen nicht denjenigen Personen zuwendet, die im Ehegattentestament benannt sind.
Nach der Rechtsprechung müssen diese Zuwendungen nach dem Tode des Schenkers an dessen Erben dann in entsprechender Anwendung des § 2287 BGB zurückgegeben werden, wenn dieser für die Vornahme der Schenkung kein „lebzeitiges Eigeninteresse“ hatte.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2287 Abs.1 BGB muss zwischen dem Vorliegen einer Schenkung einerseits und der Absicht des Erblassers, den Erben zu beeinträchtigen, andererseits unterschieden werden.

Ein in einem Grundstücksübertragungsvertrag vorbehaltener Nießbrauch sowie eine übernommene Pflegeverpflichtung sind bei der Prüfung, ob überhaupt eine Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen.

Dingliche Belastungen und damit auch ein vorbehaltener Nießbrauch mindern nämlich den Wert eines schenkungsweise zugewendeten Grundstücks und sind daher bei der Berechnung des Werts der Schenkung in Abzug zu bringen. Der vorbehaltene Nießbrauch ist mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen nach bestimmten Bewertungsvorschriften abzusetzen.

Auch ist eine im Überlassungsvertrag von der Beschenkten übernommene Pflegeverpflichtung zu berücksichtigen, auch wenn der Erblasser nicht pflegebedürftig wurde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen ist der Vertragsabschluss und nicht die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände, sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Soweit hiernach eine zumindest teilweise oder sogenannte gemischte Schenkung vorliegt, muss der Erblasser in der Absicht gehandelt haben, den Erben zu beeinträchtigen. Erforderlich hierfür ist, dass der Erblasser das Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt dann nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter stellt nach der Rechtsprechung jedoch ein lebzeitiges Eigeninteresse dar, sodass die Durchsetzung Ihres Anspruchs gegen Ihre Schwester vor deutschen Gerichten wenig Aussicht auf Erfolg hätte.



Eingestellt am 26.03.2020 von S.Gress
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